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Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman

Titel: Flammen über Scarborough Street: Ein Inspektor-Pitt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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machen müssen, feige gewesen zu sein, er hätte auch Pitt im Stich gelassen, und das wäre fast genauso schlimm.
    Er sah, dass sich Jones rasch einem untersetzten Mann mit O-Beinen näherte, der in der Mitte des wegen der Regenwolken ziemlich finsteren Gässchens stand. Er ging geradewegs auf ihn zu, und es sah nicht so aus, als habe er die Absicht, ihm auszuweichen.
    Tellman blieb keine Wahl. Wenn das Geld einmal übergeben war, hatte er keinen Vorwand mehr, Jones anzuhalten.
    »Wir müssen ihn festnehmen«, sagte er leise zu seinem Kollegen. Jetzt würde man ja sehen, auf wessen Seite dieser stand. Einen Augenblick lang krampfte sich in seinem Inneren alles so sehr zusammen, dass er kaum Luft bekam. Er lief plötzlich los, packte Jones von hinten, drehte ihm den Arm auf den Rücken und brachte ihn wie einen Schutzschild zwischen sich und den Unbekannten. Falls dieser eine Waffe hatte, würde ihm die erst einmal nichts nützen. Er hörte auf dem Pflaster Stubbs’ Schritte, die ihm folgten.
    »Polizei, Mr Jones«, sagte Tellman laut und vernehmlich. »Ich nehme Sie fest wegen des Verdachtes, im Besitz von Falschgeld zu sein.«
    Jones stieß einen leisen Schrei aus, teils vor Überraschung, in erster Linie aber wohl vor Schmerz. Er versuchte vergeblich, sich loszureißen. »Bei mir find’n Se nix«, sagte er aufgebracht.
    »Was wollen Sie hier?«, fragte der O-Beinige leise. Sein Gesicht war scharfgeschnitten. »Ich heiße Grover«, fuhr er fort. »Wache Cannon Street. Oberwachtmeister Grover. Sie sind doch gar nicht aus diesem Revier, sondern aus der Bow Street.« Seine gebildete Art zu sprechen passte in keiner Weise zu dem Ruf, den er hatte.
    »Ich bin Oberwachtmeister Tellman und bin dem Geld aus meinem Revier gefolgt«, gab er zur Antwort.
    »Lüge!«, stieß Jones aufgebracht hervor. »Ich war überhaupt nicht in der Nähe von der Bow Street.«
    »Sind Sie Ihrer Sache sicher?«, fragte Grover und tat einen Schritt auf Tellman zu. Er war jetzt nur noch knapp drei Meter entfernt.
    Tellman trat zurück und zog Jones mit sich, um einen größeren Abstand zwischen sich und Grover herzustellen und näher an Stubbs zu kommen. »Absolut«, sagte er. »Wir werden ja gleich sehen, ob er Falschgeld bei sich hat oder nicht. Stubbs, durchsuchen Sie seine Taschen!« Er wollte nicht das Risiko eingehen, Jones von seinem Kollegen festhalten zu lassen, um selbst nach dem Geld zu suchen, denn falls Stubbs ihn losließ, ob absichtlich
oder nicht, war es möglich, dass die Sache drei zu eins stand. In dem Fall hätte Tellman nicht die geringste Aussicht gehabt, davonzukommen. Außerdem bestand die Gefahr, dass ihm Grover unterstellte, Jones das Falschgeld untergeschoben zu haben.
    Eine quälend lange Weile rührte sich niemand, dann trat Stubbs vor.
    Jones höhnte: »Bei mir find’n Se nix!« Zu Grover gewandt sagte er, ohne seinen Ärger zu verbergen: »Se kenn’ mich. Das is Ihr Revier. Woll’n Se mit anseh’n, was sich der da rausnimmt?«
    »Wenn Sie wirklich nichts haben, werde ich mich entschuldigen«, sagte Tellman und verdrehte ihm den Arm so weit, dass Jones zusammenzuckte. »Ich lade Sie dann sogar zum Abendessen ein. Vorwärts, Stubbs! Worauf warten Sie?« Jones festzuhalten wurde immer schwerer, außerdem sah Tellman, dass sich hinter Grover von der anderen Seite der Gasse ein weiterer Mann näherte. Grover schien ihn gehört zu haben, denn er drehte sich um. Dann richtete er den Blick wieder auf Tellman. Sein Gesichtsausdruck wirkte sonderbar unsicher.
    Jetzt war der andere zu erkennen. Es handelte sich um Leggy Bromwich, einen kleinen Dieb, den Tellman seit Jahren kannte. Ein-oder zweimal hatte er ein Auge zugedrückt, wenn es lediglich darum ging, dass sich Leggy wegen einer erlittenen Unbill an einem anderen Ganoven gerächt hatte. Mithin schuldete er Tellman eigentlich einen Gefallen, doch war keineswegs sicher, ob er jetzt daran denken würde.
    »Hallo Leggy«, sagte Tellman und entblößte die Zähne, sodass es wie ein Lächeln aussah. »Haben Sie in letzter Zeit gute Fälschungen gesehen?«
    »Ham Se eine, Mr Tellman?«, fragte Leggy, und sein Gesicht hellte sich auf.
    »Gleich«, sagte Tellman, »sobald Stubbs hier seine Arbeit getan hat.«
    Mit aufmerksamen Augen blieb Leggy gerade so weit von Grover entfernt stehen, dass ihn dieser nicht erreichen konnte. Auf seinem Mausgesicht lag ein leichtes Lächeln.
    Stubbs ging alle Taschen Jones’ durch und holte Hände voll Geld heraus. »Lauter Hartgeld«,

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