Flammen um Mitternacht
Mann heißt Engelbert Conradi. Stimmt’s?“
Locke riß
ihre Glutaugen auf. „Stimmt. Woher kennen sie uns?“
„Das
Vergnügen habe ich jetzt erst. Aber daß Sie beide hier auftauchen würden, war
zu erwarten. Bei uns im Präsidium weiß inzwischen jeder, was heute nacht
passiert ist. Und es war auch richtig, Korac, Mollai und Luka nicht sofort
festzunehmen — wegen der Brandstiftung, sondern ihnen Gelegenheit zu geben, ihr
Schuldkonto aufzufüllen. Was ja eben geschehen ist. Jetzt hat der Staatsanwalt
leichte Hand.“
Heidenreich
glotzte, als höre er nicht recht.
In diesem
Moment stieg ein Mann die Standleiter am Baugerüst herunter, grinste und winkte
fröhlich. Zwei Kameras mit langem Objektiv hingen ihm vor der Brust.
„Hab mich
dort oben schon im Morgengrauen versteckt“, rief er. „Und jetzt habe ich tolle
Bilder im Kasten. Klasse, Tom! — wie du den miesen Kerl in den Mörtel getunkt
hast.“
Es war
Kunert, der Pressefotograf vom TAGBLATT.
Im
Vorbeirennen tätschelte er Locke die Wange, dann war er nur noch in Eile, was
bei Pressefotografen fast immer zur Berufskrankheit wird.
„Aha!“ sagte
der Kommissar.
Locke hatte
Heidenreich mit keinem Lidschlag beachtet. Wußte der schon, daß auch Honolds Illegale
nicht mehr zur Verfügung standen, zwar dem Plammentod entkommen waren — aber
nicht der Pestnahme zur Abschiebehaft? Hatte Honold seinen Auftraggeber heute
nacht noch verständigt?
„Was ist
eigentlich mit diesem Honold?“ wandte sie sich lächelnd an den Kommissar. „Gibt
der zu, daß die Illegalen im Schimmelhaus seine Leute gewesen sind?“
„Leider
geben das nicht mal die Illegalen zu“, kam achselzuckend die Antwort. „Gegen
Honold können wir im Moment nichts unternehmen. Aber ich bin überzeugt, daß den
bald das gleiche Geschick ereilt wie Korac und Konsorten.“
Heidenreich
war blaß geworden.
„Honold?“
fragte der heiser. „Mit dem... äh... also, der hat mir auch mal Leute
vermittelt. Schien alles korrekt zu sein. Macht der etwa auch linke Touren?“
Der Kommissar
sah ihn an. „Ja, das macht er. Er beutet diese armen Kerle aus, die wir jetzt
festnehmen, überprüfen und dann in ihre Heimat abschieben müssen. Von denen,
das beweisen schon die ersten Stichproben, hat keiner Arbeitserlaubnis, nicht
mal Aufenthaltsgenehmigung.“
„Nicht zu
fassen!“ murmelte Heidenreich. „Ein Glück, daß ich davon nichts gewußt habe.“
„Aber jetzt
wissen Sie’s“, sagte Locke honigsüß, „und fallen aus allen Wolken, nicht wahr?
Sie hatten doch nicht etwa mit Honolds Leuten gerechnet? Die kommen nicht.
Koracs Leute sind weg. Wie soll’s jetzt hier weitergehen? Mit den paar Maurern,
Gipsern und Betongießern? Unmöglich, wie? Dann wird diese Idylle ja nie fertig.
Ich fürchte, Herr Heidenreich, Sie müssen sich jetzt ans Arbeitsamt wenden. Ob
Sie’s glauben oder nicht — da gibt es die tüchtigsten Baufacharbeiter, ganz
legal und korrekt. Allerdings — für die muß man vollen Lohn, alle Sozialabgaben
und Nebenkosten zahlen. Da geht nix mit Reibach-machen. Doch das kennen Sie ja,
und unseriöser ( unanständiger ) Gewinn liegt Ihnen fern.“
Dem
Kommissar zuckten die Mundwinkel.
Heidenreich
erdolchte Locke mit einem scharfkantigen Blick. Dann wandte er sich an den
Uniformierten.
„Muß ich mir
das bieten lassen?“
„Wieso?“
fragte der Kommissar. „Hat Fräulein Rehm was Ungebührliches gesagt? Mir ist
nichts aufgefallen.“
Heidenreich
wandte sich ab.
„Beweg dich,
Türkenlouis!“ schnauzte er Mustafa an. „Wir fahren zum Arbeitsamt.“
*
Eine leichte
Grippe hatte den Verleger des TAGBLATTS befallen. Deshalb dehnte er die Besprechung
mit Gunter Rehm nicht aus, machte es vielmehr sehr kurz, und Lockes Vater traf
viel früher als erwartet wieder im Pressehaus ein.
Gott sei
Dank! Denn ein Berg Arbeit erwartete ihn, und Melanie Frühauf hummelte zwischen
Telefon und Schreibmaschine hin und her, weil Termine sich überschnitten und
sie den Durchblick verlor.
„Frühauf!
Einen starken Kaffee!“ verlangte Gunter.
Sie brachte
ihm ihren, den sie gerade bereitet hatte. Auch der war mit Liebe gebrüht, und
Zucker und Sahne lehnte sie ohnehin ab — wie ihr Chef.
Gunter
schlürfte aus der weißen Tasse mit Goldrand. Auf der Untertasse stand CAFÉ
CENTRAL. Aber das gab’s schon lange nicht mehr, war einer Bankfiliale und
benachbarter Boutique gewichen, und niemand würden den Geschirrdieb zur
Verantwortung ziehen.
Das
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