Flammenbucht
hatte, war der Trubel im Hafen von Vara so groß wie eh und je.
Augen, so leuchtend, so grün wie Smaragde… ich will verdammt sein, wenn ich diesen Mann nicht bekomme, wenn ich ihn nicht ganz für mich haben kann…
Jundala konnte die Worte der Königin nicht vergessen; immer wieder hörte sie Intharas Stimme, rief sich das verzückte Gesicht der Arphaterin in Erinnerung, als sie diese Sätze ausgesprochen hatte: jenes junge, ebenmäßige Gesicht, dessen Schönheit nicht zu leugnen war, dessen Anziehungskraft sich auch Jundala kaum entziehen konnte. Sie versuchte, die Königin mit den Augen ihres Mannes zu sehen: den wohlgeformten Körper, die olivfarbene Haut, das glänzende Haar und den Mund, diesen zarten Mund…Der Gedanke, daß Baniter ihn geküßt hatte, daß er diese Lippen geküßt und diesen Körper umschlungen hatte, löste in Jundala ein Gefühl aus, das sie nie zuvor gekannt hatte; tief in ihr ein Schmerz, so fein wie ein Nadelstich. Trauer mischte sich mit Furcht und mit Wut. Ja, es war mehr als Eifersucht in ihrem Herz: das Gefühl, etwas verloren zu haben, dessen sie sich zuvor so sicher gewesen war. Seit Jundala verheiratet war, hatte sie die Affären ihres Mannes geduldet; und auch sie hatte sich gelegentlich eine harmlose Liebschaft gegönnt.
Es war nie ein Problem zwischen ihnen gewesen; sie hatten sich Freiheiten eingeräumt, und dies hatte ihr gegenseitiges Vertrauen nie belastet. Diesmal aber fühlte es sich anders an. Inthara war keine gewöhnliche Geliebte, das wußte Jundala nur zu gut; und wenn es tatsächlich stimmte, was die Königin im Palastgarten erzählt hatte, war ihre Begegnung mit Baniter nicht ohne Folgen geblieben.
Meinst du, es wird seine Augen bekommen? Sie fesselten mich vom ersten Augenblick an…
Jundala schreckte auf, als sie Schritte hörte. Ein Junge kam über das Deck des Schiffes auf sie zugelaufen. Es war der derselbe Knabe, der sie an Bord geführt hatte: ein Leichtmatrose, wohl vierzehn Jahre alt. Sein zerschlissenes graues Hemd zeigte das Zeichen eines in Flammen stehenden Schiffes.
Er verneigte sich. »Kommt bitte mit, Fürstin. Die Südsegler erwarten Euch nun!«
Sie nickte und folgte dem Knaben. Ihr Weg führte an zahlreichen Wasserfässern vorbei, die an Deck vertäut waren; die hohe Anzahl ließ Jundala vermuten, daß die Karacke schon seit Tagen zum Auslaufen bereit war. Um so erstaunlicher war es, keine Besatzungsmitglieder an Bord anzutreffen: Das Schiff schien menschenleer. Der Matrose hielt vor einer Kajüte in der Mitte des Decks. Behutsam öffnete er die Tür und bedeutete Jundala einzutreten. Sie folgte seiner Weisung. Innen herrschte Halbdunkel; die Fenster waren mit Tüchern verhängt. An einem Tisch in der Mitte der Kabine saßen drei Gestalten, gekleidet in Seemannsjacken. Ihre Gesichter waren kaum zu erkennen, dunkelrote Stoffbinden verdeckten die Augen. Auf ihren Wangen prangten blasse Tätowierungen. Es handelte sich stets um dasselbe Motiv: ein brennendes Schiff - das Symbol des Bundes der Südsegler.
Zögernd trat Jundala Geneder vor den Tisch. »Ich grüße euch, ihr Südsegler. Es war mir ein großes Anliegen, noch heute von euch empfangen zu werden.«
Die drei Männer schwiegen. Jundala fragte sich, ob sie durch den Stoff ihrer Augenbinden etwas erkennen konnten. Sie hatte Gerüchte gehört, daß viele der Südsegler blind seien, angeblich ein Akt ritueller Selbstverstümmelung, doch bisher hatte sie diesen Märchen keinen Glauben geschenkt. Beherzt fuhr sie mit ihrer Rede fort. »Ihr kennt meinen Namen. Ich bin Jundala Geneder, Gattin des ganatischen Fürsten und Tochter des Barons von Bolmar.« Sie zog eine Schriftrolle unter ihrem Mantel hervor. »Diese Nachricht wurde meinem Mann heute morgen von einem Boten überbracht. Ich habe mir erlaubt, sie zu öffnen.« Sie ließ einen kurzen Moment verstreichen, wartete auf eine Reaktion der Südsegler, doch diese verharrten in Schweigen. »Ihr bittet meinen Gemahl Baniter um Unterstützung - um Gold für Eure Suche nach jenem Kontinent im Süden, den Euer Bund seit vielen Jahrhunderten entdecken will.« Leise Geräusche: ein rasselnder Atem, dann eine seltsame, zittrige Stimme, die einem Stöhnen glich. »Die Karte der Alten, die Weisen von Yuthir: die Stadt, die sich einst selbst dem Tod übergab. Doch Wissen währt ewig, und Yuthirs Geheimnis, fand einen Weg aus dem finsteren Grab.« Jundala wußte nicht, welcher der Männer zu ihr sprach; auf keinem der Gesichter konnte sie eine
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