Flammenbucht
Schwert seitlich an den Körper; sie wollte Cyrmor jede Möglichkeit nehmen, nach ihrer Schwerthand zu greifen oder ihre Waffe zu binden. Er wirkte überrascht, da sie nicht versuchte, ihren Körper zu schützen, und so vergrößerte er den Abstand wieder. Doch seine Unschlüssigkeit war nur von kurzer Dauer; schon umkreiste er Ashnada erneut, diesmal mit mehr Respekt vor dem drohenden Schwert. Ashnada rechnete mit einer Finte; und tatsächlich sprang Cyrmor kurz darauf nach vorn, nur um sogleich wieder zurückzuweichen.
Mit unbewegter Miene hob Ashnada das Schwert. »Ich will dich nicht töten, Cyrmor. Es ist schon zuviel Blut von meinen Händen geflossen. Zweimal hast du mir das Leben gerettet, hast mich in deiner Hütte aufgenommen und mir so viel Nähe geschenkt. Für einen Augenblick war ich glücklich - bis deine Erzählung vom Tod deiner Eltern mir zeigte, daß ich meiner Vergangenheit nicht entkommen kann. Doch diese Frau, die ich einst war, will ich nicht länger sein. Ich will nicht wieder töten müssen!« Ihre Stimme wurde schärfer. »Ich könnte dich mit einem Hieb niederstrecken, doch ich will es nicht! Flieh endlich, Cyrmor!«
Sein Blick blieb stur. »Deine Lügen sind erbärmlich! Ich soll die Mörderin meiner Eltern nicht wiedererkannt haben, als sie in meinen Armen lag? Ich soll es mit der Mörderin meiner Eltern getrieben haben? Du kannst mich nicht täuschen! Und jetzt schweig!« Eine geraume Zeit standen sie sich gegenüber, abwartend, beinahe reglos. Seine Augen fesselten Ashnada wie am ersten Tag; tiefblau und unergründlich. Sie konnte keine Empfindung in ihnen lesen, wußte nicht, ob Haß oder Dummheit ihn dazu trieben, diesen aussichtslosen Kampf zu führen. Noch während sie darüber nachdachte, setzte er zum Sprung an. Etwas zu langsam. Hektisch sprang Ashnada drei Schritte zurück, riß ihr Schwert hoch über den Kopf. Cyrmor brach seinen Angriff ab. Ashnada atmete scharf aus. Die kurze Unaufmerksamkeit hatte sie beinahe das Leben gekostet; doch noch immer wollte sie ihn nicht töten, sich ihn nur vom Leib halten, vom Leib halten…
Cyrmor kam langsam näher, deutlich entschlossener als zuvor. Ashnada setzte einen Schritt mit erhobenem Schwert auf ihn zu. Sofort rettete sich Cyrmor aus der Reichweite ihrer Klinge; etwas zu weit, zu hastig; gleich darauf näherte er sich wieder mit ausgestrecktem Langdolch. Ashnada blieb stehen, in plötzlicher Furcht, auf dem unebenen Grund ins Straucheln zu geraten. Wieder machte er einen Schritt nach vorn. Nun wußte sie, daß er sie töten wollte. Keine Regung in seinen blauen Augen. Nur Grausamkeit. Ein weiterer Schritt. Er war nun ganz nahe, sprungbereit. Sie wich einen Schritt nach hinten zurück. Er setzte nach. Gleich! Gleich! Ashnada spürte einen Schweißtropfen, der von der Stirn langsam auf ihr rechtes Auge zurann. Sie atmete ein, versuchte sich zu sammeln. Spürte das Brennen in ihrem Auge. Blinzelte.
In diesem Moment sprang er.
Noch bevor er angriff, wußte sie, daß er sterben würde. Er war ihr so ähnlich im Augenblick seines Todes; die Grausamkeit in seinen Augen erinnerte Ashnada an ihre Lehrjahre in Nagyra, am Hof König Tarnacs; es war derselbe Blick, den sie von ihren Fechtmeistern kannte, die sie und die anderen Igrydes in der Kunst des Tötens unterwiesen hatten. Schwertschlag um Schwertschlag. Den Gegner vernichten. Auslöschen. Keine Gnade zeigen. Er oder ich, und wir alle für Tarnac, unseren Bruder, unseren Herrn und König! Die Worte hatten sich ihr ebenso eingeprägt wie jene grausamen Blicke, die Ashnada bald selbst in zahlreichen Spiegeln gesehen hatte; das Funkeln ihrer tief schwarzen Augen… und nun sah sie es auch in dem Blick jenes Mannes, der ihr mehr Nähe gezeigt hatte als irgendein Mensch zuvor: und während sie ihn ansah, fühlte sie sich nach Nagyra zurückversetzt, fühlte sich wieder als eine Igrydes, eine ›Gnadenlose‹, deren Schwerthand den unbarmherzigen Willen ihres Königs verkörperte…
Cyrmor war nach vorn gesprungen, den Langdolch schützend vor sich gestreckt, und sie hatte einfach zugeschlagen; ein rascher, präziser Hieb. Das Schwert hatte die Spitze des Dolches beiseite gefegt und einen dunklen Kreis durch seinen Körper gezogen, die Brust geöffnet, den linken Unterarm abgetrennt. Ohne ein Geräusch von sich zu geben, fiel Cyrmor mit dem Gesicht nach unten auf das Gestein. Sie hörte noch das Klirren seines Dolchs, der auf den Boden aufschlug; doch da hatte sie sich schon von ihm
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