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Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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heiseres Lachen aus. »Die Fürsten eilen herbei, um Akendor silberne Münzen ins Grab zu legen.« Sie riß ihre Hand von der Brust und öffnete die Faust. Jundala sah, daß sich Tundia mit einem Messer die Handfläche zerschnitten hatte. Mit wilder Geste schleuderte Tundia die zerschundene Hand gegen das Tuch. Blut tropfte auf die blinkenden Silbermünzen herab. »Sie sagen, er sei tot, doch ich glaube ihnen nicht. Ich weiß, daß Akendor lebt! Ich spüre es!«
    Jundala blickte sie entgeistert an.
    »Ich habe meinen Bruder beschworen, mich zu dem Leichnam zu lassen. Ich wollte ihn sehen, den Mörder, wollte in sein Gesicht sehen und mich überzeugen, daß er tot ist, tot! Doch Scorutar wies mich ab.« Tundias Stimme bebte. »Ich kenne meinen Bruder! Ich weiß, wenn Scorutar die Wahrheit spricht und wenn er lügt. Dieses Mal war in seinem Gesicht nur Falschheit zu erkennen. Solange ich Akendors Leichnam nicht gesehen habe, werde ich an seinen Tod nicht glauben.«
    Jundala stockte die Stimme. »Ihr wißt nicht, was Ihr da sagt!«
    »Es ist eine Ahnung«, wisperte Tundia, »und diese Ahnung läßt mich nicht los. Ich muß mich vergewissern, daß Akendor Thayrin tot ist.« Sie packte Jundalas Arm. »Ich brauche Eure Hilfe! Wenn es jemanden in Thax gibt, der die Wahrheit über Akendors Tod herausfinden kann, so ist es Euer Gemahl, Baniter Geneder. Gegen ihn haben mein Bruder und Fürst Binhipar all die Jahre ihre Ränke gesponnen; ihn fürchten sie, ihn wollen sie mit allen Mitteln von der Macht fernhalten. Nur Fürst Baniter wird es wagen, sich ihnen entgegenzustellen.« Sie zog Jundala zu sich heran. »Ich bitte Euch als eine Frau, als eine Mutter. Findet heraus, ob Akendor tatsächlich tot ist oder ob sie ihn nur vor meinem Haß verbergen.«
    Jundala machte sich sanft von ihr los. »Ihr seid verwirrt, Tundia; die Trauer hat Euch überwältigt. Kehrt nach Condul zurück und begrabt Eure Tochter. Gönnt Eurem Kind Frieden und verrennt Euch nicht in diesem Wahn.« Tundia packte eine der blutverschmierten Münzen und hielt sie Jundala entgegen. »Ihr habt Eure Münze zu früh an diesen Ort gelegt! Ich weiß, daß Akendor lebt, und ich werde es beweisen. Wenn Ihr ein Herz habt, werdet Ihr mir helfen.« Sie ließ die Münze verächtlich fallen, so daß sie mit hellem Klang auf dem Steinboden aufschlug. »Und wenn nicht, dann soll mein Fluch Euch treffen, Euch und Eure ganze Familie!«
    Tundia erhob sich. Ihr Kleid bauschte sich auf, als sie den Gang durchschritt und Jundala vor dem kaiserlichen Gemach zurückließ.
    Jundala blickte ihr nach. Dann wanderten ihre Augen zurück zu den Münzen, auf denen Tundias Blut klebte. »Aus Mord entsteht immer nur neuer Mord«, flüsterte sie. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Längst waren die Feuer in den Schalen erloschen, die schwelenden Zweige verglüht. Noch hing ihr Rauch in der Weihungshalle und waberte umher wie ein Nebelstreifen. Allein die marmorne Säule erhob sich aus dem Dunst das Heiligtum Tathrils, vor dem der Hohepriester im stillen Gebet verharrte.
    Viele Jahrzehnte diente Bars Balicor nun schon der Kirche des Tathril. Als junger Mann hatte er sich auf der fernen Insel Morthyl zu einem Priester weihen lassen; eine Entscheidung, die er mehr aus Ehrgeiz denn aus Gottesfurcht getroffen hatte. All die kommenden Jahre hindurch war Balicor ein gläubiger Mensch gewesen, doch er hatte in Tathril weniger einen Gott gesehen als einen Verbündeten, der ihm während seines Aufstiegs zur Seite gestanden hatte. Erst die Ereignisse der vergangenen Kalender hatten in Balicor eine Veränderung bewirkt. Immer häufiger fand er sich nun in der Weihungshalle zum Gebet ein, brachte Tathril Opfer dar oder studierte in alten Büchern die Glaubenssätze der Kirche. Zweifel nagten an ihm - Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Tuns und an Tathrils Wohlwollen.
    Ein Tempeldiener riß ihn aus seinen Gedanken. »Verzeiht, Hohepriester…«
    Balicor fuhr herum. »Hast du den Jungen endlich herbeigebracht?«
    »Er wartet vor der Tür. Soll ich ihn hereinschicken?«
    »Selbstverständlich! Und ich will nicht gestört werden, während ich mit ihm spreche.«
    Eilfertig zog sich der Diener zurück, während Bars Balicor die Falten seiner Kutte glättete. Ein nervöses Zucken umspielte seine Mundwinkel, während er auf den Prinzen wartete.
    Uliman war im Alter von sechs Jahren auf Weisung seines Vaters nach Troublinien entsandt worden, in die Obhut der Großgilde, die ihn zu einem Kaufmann ausbilden

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