Flammenbucht
durch den Kopf,
ein letzter Schritt, der mich über die Grenze trägt, die meinem Geist und meinem Körper so unüberwindbar scheint. Wenn ich auch nicht weiß, was dort drüben auf mich wartet
-
ich muß ihn wagen!
Ein Schwindelgefühl erfaßte seine Sinne. Nhordukael riß die Augen auf, rang nach Luft. Seine Kehle schien zu bersten. Er geriet ins Taumeln, glitt auf dem Felsboden aus, stürzte hinab in den glühenden See. Der Moment des Eintauchens war entsetzlich. Eine Hitzewelle schloß durch seine Glieder. Nhordukael wollte schreien, doch sogleich drang flüssiges Gestein in seinen Mund und drohte ihn zu ersticken. Der Schmerz verschwand ebenso schlagartig, wie er gekommen war, und wich einem Gefühl wohliger Wärme. Nhordukael versuchte seine Arme zu bewegen. Träge glitten sie durch die ihn umgebende Glut. Er öffnete die Augen -und sah, wie sich die Welt um ihn verändert hatte. Fort waren die Feuer, die Flammen, die Lavafluten. Nhordukael schwebte in einem endlosen, halbdunklen Raum. Das matte Licht erinnerte ihn an die trügerische Stimmung des Morgengrauens.
Nhordukael hob die Hände vor sein Gesicht. Die Finger zogen Schlieren aus kleinen Luftbläschen hinter sich her. Er schwamm in einer Art Flüssigkeit, die verdünnter Milch glich. Zaghaft schlug er mit Armen und Beinen um sich, versuchte sich zu bewegen; doch er trieb nur dahin, gelenkt von einer unsichtbaren Kraft.
Ist dies die Grenze, die ich überscheiten muß? Ist dies der Schleier, der mich von der Sphäre trennt?
Das Licht wandelte sich nun. Es schien, als hätte sich über ihm ein Tor geöffnet, durch das silbrige Strahlen einfielen. Sie tauchten die Umgebung in mondbleichen Glanz. Zugleich hörte Nhordukael eine Melodie - ein Gesang, aus weiter Ferne an sein Ohr getragen. Nie zuvor hatte er etwas so Schönes gehört; den verspielten Klängen wohnte ein Zauber inne, der sein Herz berührte. Mit offenem Mund lauschte Nhordukael der Stimme, und er vermochte nicht zu sagen, ob es ein Mensch war, der dieses bittersüße Lied für ihn sang, oder ein unbekanntes Wesen.
Unweit von ihm bildete sich ein Schleier in der milchigen Flut; er reflektierte das auftreffende Licht, verdichtete sich zu einem Bild. Nhordukael erkannte die Schemen mehrerer Gebäude; eine Siedlung, errichtet auf zwei Hügeln. Obwohl das Bild undeutlich blieb, war zu erkennen, daß es sich um die Stadt Thax handelte. Ihre größten Gebäude, der Palast und der Tempel, lagen in Trümmern, und Rauchwolken schwelten über den Ruinen.
Thax wird brennen
! fuhr es ihm durch den Kopf.
Der Zorn der Quelle ist entfacht! Nichts kann die Glut mehr aufhalten.
Für einen Moment setzte der Gesang aus. Als die Stimme erneut anhob, hatte sich das Bild vor Nhordukaels Augen verändert. Nun war eine Gestalt zu erkennen, ein Kind; es schien zu weinen, preßte die Hände vor sein Gesicht. Als es sie plötzlich fortnahm, schrak der Hohepriester zurück; das Gesicht des Kindes war entstellt, zeigte die echsenhaften Züge jenes Wesens, das Nhordukael auf dem Platz der Gießer und Schmelzer besiegt hatte.
Wieder zog sich der Schleier zusammen, formte ein neues Bild; eine wilder Ozean, aufgewühlt von einem Sturm. Mannshohe Wellen bäumten sich auf. Schiffe kämpften sich durch die Fluten; sie standen in Flammen. Im Hintergrund war eine Bucht zu erkennen, der Strand übersät mit zerstückelten Leichen; in der Ferne ragte ein brennender Turm empor, dessen Feuerschein die Spitzen der Wellen funkeln ließ.
Der Gesang hatte sich zu einem Klagen gewandelt. Ein Gefühl der Trauer ergriff Nhordukael. Er streckte die Hand aus. Noch bevor seine Finger das Bild berührten, zerfiel es in winzige Bläschen, und der Gesang verstummte. Statt dessen erschallte in seinem Rücken ein Gelächter. Als Nhordukael herumfuhr, erblickte er eine in Lumpen gehüllte Gestalt, die auf ihn zutrieb. Er erkannte sie sofort: das lockige Haupt, der gekräuselte Bart, die grausamen Züge des dunklen Gesichtes…
»Durta Slargin«, entfuhr es ihm. Er ballte die Fäuste, um den heranschwebenden Zauberer abzuwehren, doch dieser verharrte unweit vor ihm. In seinen Händen ruhte sein Wahrzeichen, der gewundene Stab. Seine Augen glühten im Halbdunkel.
»Du Narr«, höhnte er. »Du glaubst tatsächlich, ohne meine Hilfe die Quelle durchschreiten zu können - etwas, woran sämtliche Zauberer seit meinem Verschwinden gescheitert sind!«
Nun bemerkte Nhordukael, daß Durta Slargin gefesselt war. Eine eiserne Kette umschloß sein
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