Flammenbucht
über die Fensterbrüstung beugte und in die Höhle hinabblickte -ein Felsendom, größer als alle Höhlen, die er in Oors Caundis vorgefunden hatte. Decke und Felswände waren mit funkelnden Kristallen besetzt. Mattblaue Schatten und sonnhelle Strahlen, gleißendes Grün, Lapislazulifunken, weindunkles Flimmern und grellgelber Schein… ein Lichtfeuerwerk, das ihm den Atem raubte.
»Erst dem Weltenschmied gelang es, die streitenden Mächte zu versöhnen«, fuhr Darsayn fort. »Er bereitete dem Krieg ein Ende, und Frieden kehrte unter dem Rochen ein. Zum Dank verliehen die Dämonen ihm die Herrschaft über die fünf Metalle, in denen sich die Macht der Sphäre bricht.«
Sie standen am Fenster eines hohen Turms, der sich inmitten des Felsendoms erhob. Es war mühsam gewesen, die Wendeltreppe emporzusteigen; noch immer spürte Laghanos ein Ziehen in den Beinen. Doch nun, da er am höchstgelegenen Fenster des Turms stand und in die Höhle hinabblickte, wußte er, warum Darsayn ihn an diesen Ort gebracht hatte. Die Schönheit und Größe des Gewölbes ließen sich nur von diesem Turm aus ermessen. Nicht umsonst hieß sie die ›Erhabene Halle‹ und war Mittelpunkt des Heiligen Spektakels.
»Die fünf Metalle der Sphäre… Gold, um sie zu durchdringen; Eisen, um sie zubannen; Zinn und Kupfer, um sie zu lenken; Silber, um sie zu formen und zu verändern. Mit ihrer Macht wurde der Weltenschmied zum Retter der Menschheit; er wanderte durch die Welt, um die Sphäre zu bändigen, ihre Schrecken zu mildern und uns die Freiheit zu bringen.« Darsayn hielt für einen Moment inne. »Doch der Schmied wußte, wie vergänglich sein Werk war. Eines Tages, so prophezeite er seinen Schülern, würde die Sphäre sich ein zweites Mal wandeln müssen, und die Welt jenseits des Rochens würde vergehen, um einer neuen Ordnung zu weichen.« Laghanos richtete den Blick zum Grund der Erhabenen Halle, eine ebene Schicht aus Metall, die das Farbenspiel der Kristalle reflektierte. Kreisrunde Schächte waren in den Boden eingelassen, führten senkrecht in die Tiefe. Über ihnen ragten Eisengestelle auf; an ihnen wurden Körbe herabgelassen, um Stein- und Erzbrocken emporzuziehen. Zahlreiche Männer und Frauen waren damit beschäftigt, die bis zum Rand gefüllten Körbe auf Holzkarren zu hieven.
»Die Schüler des Schmieds hörten die Warnung ihres Meisters und gründeten die Gemeinschaft des Heiligen Spektakels. Sie harrten unter dem Rochen aus, vergessen von der restlichen Welt, und bereiteten sich auf das Zeitalter der Wandlung vor. Sie schufen das Gefüge, so wie der Weltenschmied es befohlen hatte.« Darsayn bemerkte den fragenden Blick des Jungen. »Das Gefüge… das größte Werk des Weltenschmieds. Es wird den Niedergang der Sphäre einleiten. Viele Jahrhunderte arbeitete unsere Gemeinschaft an seiner Fertigstellung; nun ist es bereit, die Welt zu formen.« Er hob die Hand und berührte vorsichtig die goldene Maske des Kindes. »Und du, Laghanos, bist ein Teil von ihm. Du bist der Sehende, der Wandelbare, dessen Ankunft uns der Weltenschmied prophezeite.«
Laghanos blickte den Haubenträger aufmerksam an. »Ihr habt mein Kommen vorhergesehen?« Darsayn zog seine Hand zurück. »Der Weltenschmied sprach in seinen Schriften von einem Kind, das sich mit dem Gefüge vereinen wird; und er sprach von den Nebelkindern, die in die Welt einfallen und die Grenzen der Sphäre niederreißen werden. Als uns die Kunde von dem Vordringen der Goldei erreichte, wußten wir, daß der Tag der Wandlung bevorsteht. So erwarteten wir deine Ankunft, Laghanos -und die Prophezeiung erfüllte sich!« »Ich weiß nichts von dieser Prophezeiung, und ich traue Euch nicht. Warum hatte mir niemand in Oors Caundis von Eurer Gemeinschaft erzählt?«
»Die Zauberer der Malkuda waren damit beschäftigt, die eigene Macht zu mehren. Sie interessierten sich nicht für die tatsächliche Beschaffenheit der Sphäre. So blieb es dem Heiligen Spektakel überlassen, das Erbe des Weltenschmieds anzutreten. Auf seine Weisung hin hielten wir uns vor den Zauberern aus Oors Caundis verborgen.«
»Warum nennt Ihr Euch das Heilige Spektakel?«
»Weil die Welt nur ein Schauspiel ist«, sagte Darsayn mit Nachdruck, »und die Menschen darin nichts als tragische Figuren, die ihre Rollen spielen, welche der Weltenschmied ihnen zuwies. Nun läutet das Zeitalter der Wandlung einen neuen Akt ein! Unsere Gemeinschaft ist dazu auserkoren, dem Weltenschmied die Bühne zu bereiten, auf der er
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