Flammenbucht
der Welt ein neues Kostüm überstreift; und diese heilige Bühne befindet sich hier, tief unter dem Rochen.«
»Welche Rolle soll ich in diesem Schauspiel übernehmen?«
»Nur du kannst uns anführen, Laghanos. Du allein kannst die Grenzen überwinden, die der Weltenschmied uns setzte. Du wirst uns zum Teil des Gefüges machen. An deiner Seite werden wir die Sphäre durchschreiten und dem Weltenschmied die Wege ebnen.«
Laghanos spürte, wie die Maske an seinem Gesicht zerrte. »Die Goldei behaupteten, ich könnte eines Tages die Sphäre durchschreiten. Sie legten mir die Maske an, um mich vor dem Zorn der Quellen zu schützen.« Darsayn blickte ihn nachdenklich an. »Die Kinder des Nebels… in der Prophezeiung heißt es, daß sie der Menschheit nachfolgen. Sie haben dich auserkoren, ihr Wegbegleiter zu sein. Deshalb begannen sie damit, dich zu formen; und wir, die Diener des Spektakels, werden ihr Kunstwerk vollenden.«
Längst hatte Laghanos begriffen, daß auch der Haubenträger nicht daran dachte, ihn von der Maske zu befreien. Er wollte ihn ebenso benutzen wie zuvor die Goldei und die Zauberer von Oors Caundis. Dieses Mal jedoch, so schwor sich Laghanos, würde er sich nicht zu einem Werkzeug machen lassen. Seine Gedanken kreisten seit Tagen um eine mögliche Flucht aus den Höhlen des Rochens. Doch dazu mußte er mehr über das Heilige Spektakel erfahren und die Absichten des seltsamen Ordens ergründen.
Er deutete durch das Fenster auf die arbeitenden Menschen. »Wer sind diese Leute? Was befördern sie dort aus der Tiefe empor?«
»Dies sind die Unbeschlagenen. Seit Gründung des Spektakels arbeiten sie an der Fertigstellung des Gefüges. Sie schürfen das Metall des Rochens, schmelzen und schmieden es, um das Gefüge weiter zu verbessern.« »Und wer sind die Beschlagenen, von denen Ihr mir erzählt habt?«
»Sie sind die Erleuchteten«, wisperte Darsayn, ergriffen von den eigenen Worten. »Nur wenige von uns haben den letzten Schritt getan, um dem Gefüge ganz nahe zu sein. Sie sind bereits ein Teil des Gefüges - und warten auf dich, Laghanos, denn ohne dich können sie den Weg in die Sphäre nicht finden.« Er tätschelte die Schulter des Jungen. »Es ist noch zu früh, dich zu ihnen bringen. Zunächst will ich dich den Unbeschlagenen vorstellen. Sie haben ein Recht darauf, den Auserwählten kennenzulernen.«
Er bedeutete Laghanos, ihm zu folgen. Langsam stiegen sie die Wendeltreppe hinab. Laghanos blieb dicht hinter dem Haubenträger; er ließ die Hand über das Gemäuer streichen, während er die Stufen hinabstieg.
Wie alt mag dieser Ort sein? Seit wann leben diese Menschen unter dem Rochen und hängen ihrem seltsamen Glauben an?
Als sie aus dem Tor des Turms traten, mußte Laghanos blinzeln, bis sich seine Augen wieder an das Licht gewöhnt hatten, das von der Decke hinabstürzte. Ein Beben erfaßte seine Maske. Laghanos führte es auf das schwarze Metall zurück, das den Boden der Erhabenen Halle überzog; es verzerrte die Sphärenströme. Runen waren in die glatte Oberfläche eingeritzt. Einige ähnelten den Schutzzeichen, die in der Universität von Larambroge verwendet worden waren.
Unweit des Turms schoben einige Männer einen Holzkarren voran. Er war bis zum Rand mit Erzbrocken beladen. Eine Frau begleitete den Zug, bückte sich nach den herabfallenden Klumpen, um sie in die Taschen ihres staubigen Gewandes zu stecken. Sie war Anfang Zwanzig, eine magere Frau mit länglichem Gesicht. Sie blickte auf, als sie Darsayn und Laghanos bemerkte.
Der Haubenträger winkte sie zu sich. Verunsichert näherte sich die junge Frau. Ihre hellbraunen Augen waren auf Laghanos gerichtet. Er spürte Widerwillen in ihrem Blick. Dann wandte sie sich Darsayn zu. »Ich grüße Euch, Haubenträger. Viele von uns haben sich Sorgen um Euch gemacht, da Ihr schon seit einer ganzen Weile nicht mehr unsere Hallen besucht habt.«
»Wichtige Ereignisse hielten mich davon ab, die Arbeit des Spektakels zu beaufsichtigen.« Darsayn musterte die Frau mit seinen wäßrigen Augen. »Wer bist du? Nenne mir deinen Namen!«
»Tyra, Tochter des Byrian, aus dem Sechsten Zweig der Gezeichneten«, erwiderte die Frau, »eine Unbeschlagene seit dem neunten Lebensjahr. Ich arbeite in den Schächten der Zweiten Kammer.« Darsayn nickte zufrieden. »Ich schätze die Angehörigen des Sechsten Zweiges sehr; sie sind bekannt für ihren Fleiß.«
Er trat an die junge Frau heran. »Zeige mir deine Prägung, Tochter des Byrian.«
Tyra
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