Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammenbucht

Flammenbucht

Titel: Flammenbucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
Vom Netzwerk:
schlug den Ärmel ihres Gewandes zurück. Ihr rechter Arm war vom Handgelenk bis zum Ellenbogen durch Schnitte verunstaltet; kaum verheilte Wunden, mit scharfer Klinge in die Haut geritzt. Sie bildeten ein komplexes Muster, eine Schrift aus Narben und Schorf.
    Darsayn ergriff Tyras Arm und ließ die Finger über die verunstaltete Haut gleiten. »Eine wunderschöne Prägung … wie ich sehe, wurdest du schon vor Jahren gezeichnet. Du trägst bereits sämtliche Konturen, nicht wahr?« Seine Finger verharrten oberhalb des Handgelenks. »Seit wann gehörst du zu den Erwählten?« »Seit vier Jahren.« Tyras Stimme war keine Regung zu entnehmen. »Die letzte Prägung werde ich in den kommenden Wochen erhalten. Dann bin ich bereit, ein Teil des Gefüges zu werden.«
    Darsayn zog seine Hand zurück. Sein Daumen zog eine Blutspur auf ihrem Handgelenk nach. »Sie wird bald eine Beschlagene sein und dir beistehen, wenn du den Weltengang antrittst.« Er wischte die Fingerkuppen an seinem Gewand ab. »Ich beneide dich, Tyra, Tochter des Byrian! Du wirst die Ehre haben, gemeinsam mit dem Wandelbaren die Sphäre zu durchschreiten, an seiner Seite zu kämpfen und dem Weltenschmied gegenüberzutreten!«
    Die junge Frau musterte Laghanos. »Ist dieses Kind der Wandelbare?«
    Darsayn legte die Hand auf Laghanos' Schultern. »Ja, dies ist der Junge, dessen Kommen das Gefüge ankündigte.«
    »Dann sind die Gerüchte also wahr«, sagte Tyra. Die Abneigung in ihren Augen beschämte Laghanos. »Der Wandelbare ist zu uns gekommen. Die Prophezeiung erfüllt sich.«
    »Erzähle es allen weiter!« forderte Darsayn sie auf. »Alle sollen erfahren, daß der Weltengang bevorsteht.« Er nahm die Hand von Laghanos' Schulter. »Und nun geh, Tochter des Byrian. Der Wandelbare ist noch geschwächt. Er muß sich schonen.«
    Die junge Frau wandte sich um und folgte dem Karren, der soeben in einem Seitengang der Erhabenen Halle verschwunden war. Ein-, zweimal blickte sie sich nach Laghanos um, und dem Jungen schien es, als ob sie ihre Schritte beschleunigte.
    »Sie werden ihre Scheu vor dir bald verlieren«, tröstete ihn der Haubenträger. »Noch überwiegt ihre Angst vor dem Ungewissen, doch wenn du erst dem Gefüge gegenübertrittst, werden sie dir folgen - bis in den Tod, wenn es sein muß.«
    Endlich brach Laghanos sein Schweigen. »Ihr sprecht zu mir noch immer wie zu einem Kind! Ihr habt versprochen, mir alle Geheimnisse Eures Ordens zu enthüllen, und doch haltet Ihr mich seit Tagen von den Menschen fern und verwirrt mich mit Eurem Gerede.« Er spürte die Maske Drafurs erwachen; spürte, wie sich sein Zorn auf die goldenen Pendel und Stacheln übertrug. »Ich will das ›Gefüge‹ sehen, von dem Ihr ständig redet, und auch die Beschlagenen!«
    »Dazu ist es zu früh!« beharrte Darsayn, doch er wich vor der sirrenden Maske zurück. »Du mußt erst zu Kräften kommen!«
    Meine Kräfte sind längst wieder erwacht, und das einzige, was dich vor mir beschützt, ist die Sphäre dieses Ortes.
Die magischen Ströme des Heiligen Spektakels waren Laghanos noch immer ein Rätsel; er konnte das Herz der Quelle nicht spüren, konnte keine magischen Schichten in der Sphäre ausmachen.
Ich muß das Geheimnis dieser Magie ergründen; dann kann mich niemand mehr aufhalten - kein Haubenträger, kein Weltenschmied, kein Rotgeschuppter! Dann wird dieser Alptraum enden.
    »Ich werde dich zurück in dein Schlafgemach bringen«, sagte Darsayn mit milder Stimme. »Bald wirst du die Beschlagenen kennenlernen. Wenn du sie siehst, wirst du verstehen, daß dir das Heilige Spektakel nicht feindlich gesinnt ist.«
    Er reichte Laghanos die Hand. Wortlos ergriff der Junge sie und folgte dem Haubenträger; seine Augen aber waren zu Boden gerichtet. Die gewundenen Runen auf dem Metall erinnerten ihn an die Wunden der jungen Frau, in deren Augen er erkannt hatte, was die Goldei aus ihm gemacht hatten.
Kein Mensch bin ich mehr, sondern ein Ungeheuer; kein Kind, sondern ein Wesen der Sphäre, das zwischen den Welten gefangen ist.
    Tief im Gestein, verborgen hinter eisernen Türen, lauschte das Gefüge; lauschte den fernen Stimmen, die durch die Kammern des Heiligen Spektakels wogten, dem Raunen und Wispern seiner Diener. Das Gefüge, es lauschte, und nichts blieb ihm verborgen.
    An der Decke des Ganges führte ein silberner Draht entlang, gehalten von winzigen Ösen; so fein, daß man ihn mit bloßem Auge kaum wahrnehmen konnte. Öllampen erhellten die rauhen Felswände. Die

Weitere Kostenlose Bücher