Flammenbucht
Gesicht; die Wangen wie sprödes Pergament, das Haar wie zerrupfte Watte.
»Mondschlund schleicht durch unsere Gänge… hört ihr ihn? Still, still… grau sind seine Kleider, lautlos seine Schritte… wir müssen wachsam sein, damit er den Wandelbaren nicht findet.« Darsayn krallte sich an der Wand fest. Seine Fingernägel schabten über das Gestein. »Das Gefüge… ich muß es warnen. Es wird wissen, was zu tun ist, ja, gewiß.«
Er hatte sich nun ganz durch den Spalt gepreßt, der sich zu einer engen Höhle hin öffnete. In den Felswänden klafften zahlreiche Risse, aus denen ein dunkelblaues Leuchten drang. Es schuf zwischen den Felsvorsprüngen ein beunruhigendes Schattenspiel; düstere Blautöne, welche die Schrecken der Finsternis erahnen ließen. Doch da waren noch andere Lichter - smaragdgrüne Punkte, die kurz aufblitzten und wieder erloschen. Es waren Augenpaare, giftgrün und grell. Ein Schauer lief über den Rücken des Haubenträgers.
»Fort…fort mit euch! Ich muß allein mit dem Gefüge sprechen… fort mit euch, unnützes Gelichter! Laßt mich allein… geht, geht!«
Sie gehorchten. Die grünen Augen erloschen; für einen Moment war die Höhle erfüllt mit dem Tapsen winziger Füße, dem Wuseln einer flüchtenden Schar, die in den Felsritzen verschwand. Nur einige der Wesen verharrten auf einem Felsvorsprung; zottige, handspannengroße Geschöpfe, die sich an der Steinwand festklammerten. Ihre Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. Darsayn richtete sich auf, so daß sein Kopf beinahe die Höhlendecke streifte. »Fort, sagte ich! Habt ihr vergessen, wer ich bin?« Er wies auf seine Flickenhaube. »Ihr müßt mir dienen - das habt ihr dem Weltenschmied geschworen, als er euch zu Wächtern des Gefüges machte!« Er machte eine herrische Geste. »Geht, geht endlich… es ruft mich bereits… es darf nicht länger warten!«
Die Geschöpfe gehorchten. Darsayn ließ die Hand sinken. »Sie trauen mir nicht. Zu lange leben sie schon unter dem Rochen. Die Zeit hat sie seltsam werden lassen, ja, seltsam.«
Ein Sirren lenkte seinen Blick zur Höhlendecke. Silbern blitzten die Drähte auf, die sich unterhalb des Gesteins spannten. Von allen Seiten führten sie herbei; einem Spinnennetz gleich liefen sie in der Mitte der Höhle zusammen und vereinten sich zu einem einzigen Strang, der zum Boden herabführte. Es war nicht zu erkennen, wo dieser verankert war, denn ein purpurnes Tuch deckte die Stelle ab. Der Stoff warf zahlreiche Falten, und diese waren in Bewegung, wölbten und bauschten sich auf, als wände sich ein Tier unter dem Laken. »Ich bin ja schon bei dir«, flüsterte der Haubenträger. »Viel gibt es zu berichten und zu beraten. Alles sollst du wissen, alles!« Er kniete sich auf den Steinboden, streckte die Hand aus, zog das Tuch zur Seite. Schlagartig änderte sich das Licht in der Höhle; das dunkle Blau wich einem silbernen Glanz. Geblendet kniff Darsayn die Augen zusammen.
»Ich sehe, du bist zornig. Spät komme ich zu dir, doch mir fehlte in den vergangenen Wochen die Kraft. Unsere letzte Unterredung hat mich sehr erschöpf t… verzeih mir!«
Ein Surren und Scharren, Rasseln und Prasseln, Schaben und Knirschen setzte ein und ließ den Haubenträger verstummen. Er öffnete die Augen und starrte auf das Gefüge, das sich vor ihm erstreckte: silberne Speichen und Spangen, Stangen und Räder, die sich umeinander drehten und wanden, zuckten und zurrten, vibrierten und gegeneinanderschlugen. Nun, da Darsayn das Tuch zur Seite gezogen hatte, entfaltete sich das Gefüge; wie dünne Arme erhoben sich glitzernde Stangen vom Boden der Höhle. Er spürte die kalten Stäbe an seinen Armen entlangstreichen, sah winzige Sporne hervorschnellen und sich in seine Haut bohren. Ein Beben ging durch seine Brust, als das Gefüge ihn zu sich zog, seinen Oberkörper sanft umklammerte. Er sah aus dem Gewirr zwei Drähte hervorschießen, ihre Enden spitz wie Nadelköpfe. Sie näherten sich seinem Gesicht, verharrten dicht vor seinen Augen.
»Ich bin bereit«, sprach Darsayn leise.
Langsam setzten sich die Drähte in Bewegung, glitten mit einem schmatzenden Geräusch in seine Augäpfel. Ein Zittern durchfuhr Darsayn, Blut rann an seinen Wangen herab, sammelte sich in den Mundwinkeln. »Ja, ich weiß, du hast viele Fragen«, stöhnte er. »Frage mich nur…ich bin bereit, dir auf alles eine Antwort zu geben. Du sollst jede Einzelheit über den Wandelbaren erfahren, damit du dich auf die Vereinigung
Weitere Kostenlose Bücher