Flammenbucht
Jener Fremde, den sie im Zunfthaus beobachtet hatte, war kein Geringerer als Eidrom von Crusco selbst gewesen! Er mußte das ›Einende‹ an sich gebracht haben; vielleicht hatten die Goldei es ihm gegeben, oder er hatte es seinem König geraubt.
Eidrom befindet sich hier, auf Morthyl! Er wagt es, unter den Augen Fürst Perjans den Meister der Hafenzunft zu bestechen! Wie sicher muß er sich seines Sieges sein!
Ashnada öffnete die Augen, blinzelte in das Kerzenlicht.
Rumos wird staunen, wenn ich ihm davon berichte; wenn ich ihm sage, daß mich nur eine Holztür von dem selbsternannten König des Silbermeers trennte.
Sie zwang sich zur Ruhe. In dieser Nacht konnte sie nichts mehr ausrichten; sie war zu erschöpft, mußte zu Kräften kommen. Doch die Gedanken ließen sich nicht beiseite schieben. So dämmerte sie dahin, halb wach, halb schlummernd, und lauschte dem Rauschen des Windes. Nach einer Weile kehrte Cyrmor zurück; sie hörte, wie er behutsam die Tür öffnete, leise über den Holzboden schritt. Ashnada stellte sich schlafend, doch sie beobachtete den Schmuggler aus halb geöffneten Augenlidern. Er streifte Mantel und Stiefel ab, zog die zahlreichen silbernen Ringe von seinen Fingern. Bevor er sich ganz entkleidete, löschte er die Kerze, und so sah sie nur die Umrisse seines Körpers; die muskulöse Brust, die kräftigen Schultern, den straffen Bauch. Vorsichtig legte sich Cyrmor neben sie, hüllte sich in eine Decke. Sein Haar streifte ihre Nase; es war naß vom Regen, verströmte den salzigen Geruch des Meeres. Sie verspürte den Wunsch, die Hand auszustrecken, mit den Fingern über dieses nasse dunkle Haar zu streichen; doch sie wagte es nicht.
Als sie seine ruhigen Atemzüge vernahm, fand auch sie endlich Frieden und sank in einen Schlaf, der ihr seit langem keine Alpträume bescherte.
KAPITEL 8 -
Kulissen
Strahlender Himmel über Persys, die Luft kühl und klar; eine Brise wehte vom Meer heran und trug den Geruch von Gischt und Seetang mit sich. Sonnenstrahlen kitzelten auf Baniters Wangen. Er schloß die Augen, um ihre Wärme ganz in sich aufzunehmen. Seine linke Hand ruhte in Jundalas Schoß. Sie hatte den Kopf an seine Schulter gelehnt, und Baniter wünschte, er könnte ewig an ihrer Seite verharren und die schrecklichen Ereignisse vergessen, die Sithar in den letzten Tagen erschüttert hatten. Ein Heer war vernichtet und eine blühende Stadt zerstört worden, doch über Persys schien die Sonne… welch seltsamer Gegensatz!
Das Paar saß auf einer Sanddüne am südlichen Küstenbogen der Bucht, die Gesichter dem Meer zugewandt. Der Strand fiel flach zum Ufer ab; das Wasser, klar wie aus einer Felsquelle, strömte ruhig in die Bucht; der seicht ansteigende Meeresgrund nahm den Wellen ihre Wucht. Am gegenüberliegenden Ufer der Bucht schimmerten die Dächer der Stadt Persys im Sonnenlicht; ihre Schindeln waren aus jenem weißen Sand gebrannt, der nur an der Bucht von Persys zu finden war. Dieser Ort war berühmt für seine Schönheit, für den blütenweißen Strand und die verwinkelte Dünenlandschaft am Südufer, wo zur Sommerzeit Kinder tollten und im Herbst Liebespaare wandelten, die im Rauschen des Strandhafers ihren verwirrten Gefühlen nachlauschten.
An diesem Frühlingstag waren Jundala und Baniter allein in den Dünen. Schon seit einer Stunde blickten sie auf das Meer. Jundala hatte die Schuhe abgestreift und ihre Füße in den Sand eingegraben. Sie trug einen langen Wollrock und einen Überwurf aus dunklem Stoff. Zögernd blickte sie ihren Gemahl an und richtete schließlich das Wort an ihn.
»Es ist seltsam, Baniter… vor einer Woche waren wir noch in Thax, sorgten uns um die Zukunft Sithars. Nun sitzen wir hier am Strand von Persys - und Thax, das Herz des palidonischen Hochlandes und Hauptstadt des Kaiserreiches, ist nicht mehr, wurde vernichtet, zerstört…« Sie tastete nach Baniters Hand. »Ich kann es noch immer nicht fassen. Wie konnte das geschehen? Wie konnte Thax so einfach ausgelöscht werden?« Baniter wirkte ratlos. »Noch wissen wir nichts Genaues; die Gerüchte überschlagen sich, der Silberne Kreis ist gelähmt angesichts dieser Katastrophe.« Er umklammerte Jundalas Hand, so fest er nur konnte. »Als die Fürsten Thax verließen, wähnten sie dies als Vorsichtsmaßnahme, falls der Feldzug gegen Nhordukaels Streitmacht erneut einen Volksaufstand hervorrufen würde. Doch daß die Weißstirne unser Heer schlagen und Thax überrennen würden, hätte auch ich für
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