Flammenbucht
wiedergesehen«, murmelte der Krabbensammler. »Vermutlich im Sturm verschollen.« Er hatte die Augen gesenkt. »So war's. Ich will auf der Stelle tot umfallen, wenn ich auch nur ein unwahres Wort gesagt habe.«
Kurze Stille. Dann sprang Ungeld auf, fuchtelte wild mit seiner Flöte vor Schnappes' Gesicht herum. »Das hast du schon oft versprochen, alter Narr. Aber ich fürchte, der Tag, an dem du ins Grab wanderst und dein loses Mundwerk verfault, ist noch fern.« Er wandte sich mit gespielter Heiterkeit den Troubliniern zu. »Sei's drum - wir wollen uns den Abend nicht verdrießen lassen. Laßt uns nun feiern, feiern. ..«
»War einer von euch denn schon einmal auf Fareghi?« unterbrach Aelarian ihn freundlich, aber bestimmt. »Wer hat den Leuchtturm - oder sollte ich sagen: die größte Schnapsbrennerei von Gharax - mit eigenen Augen gesehen?«
Parzer baute sich schwankend vor ihm auf. Seine Augen rollten furchterregend. »Du stellst zu viele Fragen, Rotbauch ! Wenn du etwas über Fareghi erfahren willst, hör dich in Galbar Are um; dort sind die Leute schwatzhaft genug, um über Dinge zu sprechen, von denen sie keine Ahnung haben.«
»In Galbar Are hat tatsächlich niemand eine Ahnung davon, was auf Fareghi vor sich geht«, beharrte der Großmerkant. »Aber ihr Leute aus Rhagis wißt offenbar mehr. Warum wagt ihr euch noch auf das Silbermeer hinaus, während selbst die besten Kapitäne des Südbundes den Hafen nicht mehr verlassen?« Die Fischer gaben keine Antwort. Einige blickten betreten in ihr leeres Tonschälchen, andere tuschelten miteinander und warfen den Troubliniern feindselige Blicke zu. Schließlich erhob sich Cornbrunn. Er räusperte sich lautstark, um die Situation zu entschärfen und die Aufmerksamkeit der Kneipengäste auf sich zu lenken. »Verzeiht dem Großmerkanten; er ist nun mal ein neugieriger Geselle. Habt ihr nicht seine riesigen, fast unanständig großen Ohren bemerkt? Im Ratsgebäude zu Taruba gibt es keine Tür, an der er sie nicht schon einmal plattgedrückt hat, ganz gleich, ob es dahinter etwas zu hören gab oder nicht.« Einige Fischer mußten unfreiwillig kichern. »Glaubt mir, Aelarian Trurac würde sich selbst belauschen, wenn er es könnte. Allerdings müßte er dazu seine eigenen törichten Geschichten ertragen, und dazu fehlt ihm die Geduld, die er mir und anderen abverlangt. Verzeiht ihm also seine Naseweisheit und gebt ihm lieber etwas zu trinken.« Er verbeugte sich linkisch in Stollings Richtung. »Wenn ich bei der Gelegenheit selbst um einen Raschen bitten dürfte, Herr Wirt…«
»Ja, mir dann auch einen, Stelling!« krakeelte einer der Fischer.
»Ebenso!«
»Eine Runde an uns!«
»Immer her damit, Stolling!«
Die Gespräche kamen ebenso schnell wieder in Gang, wie sie zuvor verebbt waren. Ungeld entlockte seiner Flöte ein neues, schräges Lied, und Mäulchen sank auf Parzers Schoß und küßte seine Hände ab, mit denen er sich an der Tischkante festhielt. Nichts schien den Menschen von Rhagis dauerhaft die Laune verdrießen zu können, und so gaben sie sich wieder jenen Ausschweifungen hin, die sie an diesem Abend in der
Roten Kordel
gesucht und gefunden hatten.
Allein Aelarian Trurac schmollte eine Weile über seinem Bierkrug, sichtlich erzürnt über Cornbrunn, der ihm so dicht vor Erreichen seines Ziels in den Rücken gefallen war. Es brauchte einiges gute Zureden seitens der Fischer - und mehrere Rasche -, bis er sich wieder zu einem Lächeln bewegen ließ. Zu mehr war er an diesem Abend nicht fähig; sein Geist sank mit jedem Schnaps tiefer ins Reich des Rausches, das sich im Schankraum der
Roten Kordel
aufgetan hatte. Bald glitt sein Bewußtsein ganz dahin und ließ alle Fragen zurück, die ihn beschäftigen - und die am nächsten Morgen um so schmerzhafter in seinem Schädel pochen würden. Wärme - ja, das erste, was Ashnada fühlte, war Wärme, die ihren Körper durchflutete, die sie umgab und beschützte. Ihr Erwachen kein plötzliches Aufschrecken, sondern eine Wiederbelebung der Sinne. Ashnada spürte die tiefe Ermattung ihrer Glieder, spürte, wie sich ihr Brustkorb hob und senkte, auch wenn das Atmen ihr schwer fiel. Bilder schössen ihr durch den Kopf: sie entsann sich des Absturzes aus dem Fenster des Gildenhauses, als sie im Wasser versunken und von den Fluten verschlungen worden war…Das Gebrüll des Sturms, die eise Kälte, ja, sie hatte für einen Moment geglaubt, in einer Woge aus kaltem Blut zu treiben, die sie in die Tiefe riß, und
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