Flammenbucht
Fingern griff sie nach einem der Ringe, wog ihn in der Hand. »Wenn dies wahr ist und du mit den Schmugglern der Hafenzunft zusammenarbeitest - warum hast du dann einen von ihnen auf der Treppe niedergestochen?«
Er klaubte den Schmuck zurück in den Beutel. »Ich schuldete diesem Mann eine Menge Geld. Er glaubte sich deshalb im Recht, mir etwas fortzunehmen - etwas, das in seinen Augen großen Wert besitzt… und was ich ihm unmöglich geben konnte.« Seine Augen verdüsterten sich. »Ich wünschte, ich hätte ihn an diesem Tag besser erwischt! Der Dolchstoß war zu tief angesetzt; ein Stück höher, und er wäre wie ein Schwein verblutet.« Ashnada ließ den silbernen Ring sinken. »Warum erzählst du mir das alles?«
»Du hast mich gefragt«, antwortete Cyrmor, »und du wirst mich gewiß nicht verraten. Für die Ergreifung eines unbedeutenden Schmugglers zahlt der Fürst nicht mehr als ein lächerliches Handgeld.« Er ließ den Beutel unter seinem Mantel verschwinden; als er die Hand wieder hervorzog, blitzte darin ein langer Dolch, den er neben den Wasserkrug auf die Truhe legte. »Außerdem habe ich schon aus geringerem Anlaß getötet, Cydra. Du wirst mich nicht verraten -zumal ich dir zweimal das Leben gerettet habe.« Sie nickte. »Ich danke dir dafür.« Ihr war nicht entgangen, wie behende Cyrmor den Langdolch gezogen hatte; er schien gut mit der Waffe umgehen zu können.
»Nun zu dir, Cydra - was hattest du im Zunfthaus zu suchen? Dein Sprung aus dem Fenster wirkte nicht so, als wärest du vom Zunftmeister zum Essen geladen worden und hättest dich auf dem Nachhauseweg in der Tür geirrt.«
Krampfhaft suchte Ashnada nach einer glaubhaft klingenden Erklärung. Sie entschied sich dafür, dem Schmuggler einen Teil der Wahrheit zu enthüllen. »Ich hatte mich eingeschlichen. Mir war zu Ohren gekommen, daß einige Zunftleute Waren auf die Insel Fareghi schmuggeln. Im Zunfthaus hoffte ich, etwas über dieses Geschäft in Erfahrung bringen zu können, denn ich dachte mir, der Fürst würde für eine solche Auskunft gut bezahlen.« Es war nicht ungefährlich, sich ihrem undurchsichtigen Retter anzuvertrauen, doch sie ahnte, daß Cyrmor eine halbgare Lüge durchschauen würde.
Er schien ihr zu glauben. »Dann wolltest du also die Zunft ausspionieren. Das war sehr leichtsinnig von dir. Hätte man dich erwischt, wärest du noch in derselben Nacht vom Zunftgericht zu mehreren Jahren Kerkerhaft verurteilt worden. Und dein Sprung aus dem Fenster hätte dich das Leben kosten können, wenn ich mit meinem Boot nicht in der Nähe gewesen wäre.«
Sie wollte eine Antwort geben, doch ein erneuter Hustenanfall schüttelte sie. Behutsam zog Cyrmor ihre Decke glatt. »Du solltest besser schlafen. Ich werde draußen noch das Boot sicher vertäuen, dann komme ich zurück.« Er erhob sich, öffnete die knarrende Tür der Hütte und verschwand in der Dunkelheit. Ashnada atmete tief durch. Sie legte sich auf die Seite, schloß die Augen. Gedankenfetzen kamen ihr in den Sinn… ihr Aufenthalt im Zunfthaus, das von ihr belauschte Gespräch zwischen dem Zunftmeister und seinem Besucher, der zweifellos ein Gefolgsmann Baron Eidroms gewesen war. Sie versuchte sich die Worte des Fremden ins Gedächtnis zu rufen: sein Gesicht, das seltsame Schwert, das er gezückt hatte… die lange Klinge, der mit Gravuren geschmückte Griff. Wo hatte sie dieses Schwert schon einmal gesehen?
Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag.
Das ›Einende‹ - das kathygische Reichsschwert!
Vor vielen Jahren, als sie noch an König Tarnacs Hof gedient hatte, war der kathygische König Eshandrom nach Nagyra gekommen. Kathyga und Gyr hatten damals ihren Friedensvertrag erneuert. Eshandrom hatte das Reichsschwert mit sich geführt, denn diese Klinge war untrennbar mit der Geschichte seines Volks verknüpft, war es doch während des Befreiungskrieges gegen Candacar geschmiedet worden. Ashnada erinnerte sich genau daran, wie der Anblick des legendären Schwertes sie gebannt hatte; jenes Schwertes, von dem es hieß, es könne den Widerstand jedes Feindes brechen. Selbst Tarnac der Grausame hatte sich beeindruckt von der Klinge gezeigt, hatte Eshandrom gebeten, sie für einen Augenblick in den Händen halten zu dürfen; doch dies hatte der Kathyger bestimmt zurückgewiesen.
Aber was hatte diese Waffe hier auf Morthyl zu suchen? Sie mußte sich geirrt haben… und doch war Ashnada davon überzeugt, das Schwert wiedererkannt zu haben. Dies konnte nur eines bedeuten:
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