Flammende Versuchung
Deirdre von seiner Tochter erzählt. Das Kind war nicht wirklich ein Geheimnis. Es besuchte ihn nur sehr selten. Die Öffentlichkeit hatte
es vorgezogen, bei dem lange zurückliegenden Skandal seine Existenz zu vergessen, und Calder war einfach dazu übergegangen, nicht viele Worte über Meggie zu verlieren.
Auch hatte er nicht das Risiko eingehen wollen, ihretwegen abgewiesen zu werden. Meggie hatte es nicht geschafft, ein Kindermädchen oder eine Gouvernante für länger als ein paar Tage zu behalten. Tief in seinem Innern fing Calder an zu befürchten, dass Meggie all das war, was zu sein Melinda erst am Ende offenbart hatte: eigensinnig, temperamentvoll und zu Wutausbrüchen neigend.
Ganz und gar nicht wie er selbst.
Man konnte eine sittsame und ausgeglichene junge Dame wie Miss Deirdre Cantor nicht bitten, die Mutterrolle für einen solchen Wildfang anzunehmen. Aber man konnte sie mit einem Trick dazu zwingen. Als das Schweigen sich ausdehnte, erkannte er, dass man eine solche Entscheidung auch bedauern konnte.
Meggie starrte ihn mit vor Enttäuschung und Zorn geweiteten Augen an. Miss – äh, Deirdre – stand da und ließ jeglichen Charme und jede Ausgeglichenheit der Vergangenheit vermissen. Calder erinnerte sich daran, dass diese Frau von einer der gefährlichsten Giftspritzen erzogen worden war, die er jemals bedauerlicherweise kennenlernen musste. Es wäre nicht gut, wenn sie einen Moment der Schwäche an ihm entdeckte.
Wahrscheinlich wäre es vollkommen in Ordnung, wenn er jetzt Stärke und Entschlossenheit zeigte – was außerdem noch den Vorteil hätte, dieser unerträglichen
Situation ein Ende zu bereiten. Ja, er hätte Deirdre vorwarnen müssen. Und er hätte Meggie gegenüber wenigstens etwas andeuten müssen.
Aber verdammt, es hatte etwas geschehen müssen, und er hatte es getan! Jetzt war alles in Ordnung. Das mutterlose Mädchen hatte eine Mutter. Brookhaven hatte eine neue Herrin. Und er hatte …
Er musste schnell etwas tun, oder die beiden brodelnden Frauenzimmer vor ihm würden noch den Siedepunkt erreichen. Er räusperte sich gewichtig. »Mylady, Ihr werdet Lady Margaret unter Eure Obhut nehmen und sie zu einer anständigen jungen Dame erziehen -« Schon als er die Worte aussprach, hatte er das Gefühl, einen Fehler zu begehen. »Ihr werdet tun, was ich von Euch verlange, oder es wird keine Partys geben und keine Bälle, keine Ausflüge und kein einziges neues Kleid, bis Ihr es tut.«
Die Luft wurde aus Deirdres Lunge gesogen. So sprach er mit ihr – vor der versammelten Dienerschaft? Jeder einzelne seiner Dienstboten, von dem ehrwürdigen Fortescue bis zur niedersten Küchenmagd, stand hinter ihr und wurde Zeuge des sich entwickelnden Dramas.
Was dachte er eigentlich, wer sie war? Was für ein Bild hatte er von ihr, dass er glauben konnte, sie würde eine solche Demütigung einfach schlucken und sich seinem Willen fügen?
Vielleicht hätte sie sich dazu überreden lassen, ein gewisses Maß an Verantwortung für das Kind zu übernehmen, hätte die richtigen Erzieher für es eingestellt, die richtige Schule ausgewählt und ähnliches, aber nach dem hier war sie genauso wenig bereit, dem kleinen Biest
die Schuhe zu schnüren wie in die verdreckte Themse zu springen.
Nein. Sie war nicht Tessas Tyrannei entronnen, nur um sich gleich wieder einsperren zu lassen. Sie fühlte, wie ihr Rückgrat sich in Stahl verwandelte, wie sich Wirbel für Wirbel unter den wahrscheinlich verächtlichen Blicken der gesamten Dienerschaft versteifte.
Mit exakten, kurzen Bewegungen riss sie sich die Handschuhe von den Fingern und blickte ihrem Mann erhobenen Hauptes ins Gesicht. »Mylord, wenn Ihr unbedingt kämpfen wollt, dann nehmt Eure Partys und Eure Bälle und Ausflüge und neuen Kleider und steckt sie Euch in …« Sie bleckte die Zähne. »… Euer Arsenal.«
Mit großer Würde wandte sie sich an Fortescue. »Ich werde mich auf der Stelle in mein Zimmer zurückziehen.«
Fortescues Blick huschte kurz zwischen ihr und der Bestie von Brookhaven hin und her, dann nickte er knapp. »Natürlich, Mylady. Bitte hier entlang.«
Deirdre kannte den Weg nur zu gut, denn sie hatte seit Wochen in dem Haus gewohnt, aber sie ergriff jede sich ihr bietende Gelegenheit, um wieder mit den Dienstboten anzufangen. Lieber Gott, sie konnte froh sein, wenn sie von ihnen jetzt noch das kalte Badewasser von letzter Woche bekam!
Fünftes Kapitel
C alder stand in der Empfangshalle und schaute seinem Butler und seiner
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