Flammender Diamant
Erin die Leiter herabstieg, während ringsumher das Wasser plätscherte und spritzte. Die dünnen Rinnsale waren jetzt schon fingerdick und flossen mit mehr Druck herunter. Am Fuß der Leiter stand das Wasser knöcheltief. Es blieb gerade genug Raum für zwei Menschen, um nebeneinander zu stehen. Ein fast kreisrunder Gang führte schräg zur Seite weg. Er war glatt und eng.
»Paß auf!« Cole fing Erin auf, als ihr Fuß nach der nächsten Sprosse suchte, obwohl sie schon auf der letzten stand. »Der Schacht ist einen halben Meter tiefer als die Leiter.«
Sie holte tief Luft, als ihre Füße ganz im kühlen Wasser verschwanden. »Ich hoffe, mir müssen nicht noch viel tiefer.«
»Ich auch.«
Cole beleuchtete mit seinem Helmlicht den Boden genauer. An einer Stelle, die wahrscheinlich während der ganzen Regenzeit am Fuß eines Wasserfalls lag, hatte der Druck des Wassers eine ungleichmäßige Mulde ausgehöhlt. Kleine, kugelförmige, vom Wasser abgerundete Steine lagen darin.
»Kannst du ein kleines Stück wieder hochsteigen?« fragte Cole und ging in die Hocke, als Erin ein paar Sprossen hinaufgeklettert war, um ihm Platz zu machen. Dabei schaufelte er mit der Hand portionsweise Steine aus der Mulde, bis er das Ende der Vertiefung erreicht hatte. In der achten Handvoll schimmerte und blitzte etwas.
»Treffer«, sagte Cole atemlos.
»Was?«
Ohne zu antworten stand Cole auf und hob seine Hand, so daß der ganze Lichtkegel von seinem Helm darauffiel. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er einen kleinen, abgerundeten Kristall in der Größe einer Murmel.
»Diamant?« fragte Erin, die es kaum glauben konnte.
»Ganz sicher. Halt fest. Ich schaue, ob Abe noch andere übersehen hat.«
»Übersehen?«
»Das hier ist das erste Strudelloch, das ich bemerkt habe. Abe muß es auf dem Weg zur Höhle mehr als einmal durchsucht haben.«
Der Diamant fühlte sich kühl an auf Erins Handfläche. Ihr Herz schlug plötzlich vor Aufregung doppelt so schnell. Sie schloß die Hand um den Kristall, bis ihr die Finger weh taten. Unter ihr suchte Cole den Boden der Mulde ab und versuchte auch, seine Finger in einen Spalt zu schieben, durch den das Wasser abfloß. Er war zu eng.
»Na ja, was soll's. Wenn in dem Spalt noch Diamanten stecken, sind sie nicht besonders groß.«
»Wie kannst du bloß so ruhig sein?« wollte sie wissen.
Er lachte. »Ruhig? Mensch, Erin, meine Hände zittern fast so wie damals, als wir uns das erste Mal geliebt haben.«
Erin sah ihn überrascht an und unterdrückte dann ein Lächeln.
Cole wischte sich zerstreut die Hände an den Shorts ab, als er sich aufgerichtet hatte. »Wir wollen nicht noch mehr Zeit hier verschwenden.«
»Verschwenden? Cole, wir haben gerade einen Diamanten gefunden!«
Er antwortete nur: »Paß auf die letzte Stufe auf«, ließ sich wieder auf Hände und Knie herunter und kroch in die Öffnung, die rechtwinklig zu jener begann, durch die sie gerade heruntergestiegen waren. Der Boden dort war nicht so glatt geschliffen wie unter dem senkrechten Loch, der Fels ringsherum war feucht, aber nicht vollgesogen. An verschiedenen Stellen gab es Vertiefungen.
Cole durchsuchte immer wieder die eine oder andere Mulde und fand einen kleinen Diamanten. Er legte ihn unter seine Zunge und krabbelte weiter, ohne sich die Mühe zu machen, noch weitere Mulden zu durchsuchen. Er verzog nur das Gesicht, weil der Weg tiefer und tiefer in den Kalkstein hinein so unbequem war.
Langsam wurde Cole klar, daß der Gang sich abwärts neigte. Wasser sickerte aus den Wänden und der Decke und sammelte sich zu kleinen Rinnsalen. Diese vereinigten sich in flachen Abflußrinnen auf beiden Seiten des Tunnelbodens oder verschwanden durch Risse tiefer im Stein. Er fragte sich, wie hoch hier im Kimberley der Grundwasserspiegel wohl stand und wie lange es dauern würde, das uralte Riff und seine Höhlungen mit Wasser zu füllen. Wann würde sich der Tunnel, durch den sie gerade krochen, füllen?
»Die Decke sieht auch ausgewaschen aus«, sagte Erin. »Be-deutet das, daß dieser Tunnel längere Zeit voll mit Wasser steht?«
Cole brummte nur.
Vor sich hörten sie fließendes Wasser. Cole wurde langsamer und suchte mit seinem Helmlicht sorgfältig den Boden vor sich nach Öffnungen ab.
Über ihren Köpfen tropfte das Wasser wie aus einem Sieb aus einer Anzahl ungleichmäßiger Löcher. Der Tunnel wurde zur Seite hin breiter, sein Boden immer ungleichmäßiger durch die zahllosen Strudellöcher, die während der
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