Flammender Diamant
Gedanke war wenig tröstlich, aber Erin hatte in der Vergangenheit gelernt, mit wenig Trost auszukommen. Besser, daß sie jetzt begriff, wie Cole war, als später. Besser, ihre Träume nahmen jetzt ein Ende, als später.
Am besten wäre es gewesen, sie hätte gar nicht erst angefangen zu träumen.
»Wir fliegen jetzt am Ostrand der Station entlang«, sagte Cole schließlich in die Stille hinein und ließ eine Karte in Erins Schoß fallen. »Dann den Norden. Da ist Dog Eins. Wir fliegen langsam in etwa dreihundert Meter Höhe.«
Erin sagte nichts.
»Ich habe die Station noch nie von der Luft aus gesehen«, sprach er weiter und bemühte sich, seinen Ärger nicht zu zeigen. »Manchmal sieht man so Dinge, die einem unten entgehen würden. Versuch dich unterwegs auf der Karte zu orientieren.«
Erin nickte, faltete die Karte auseinander und zwang sich, mehr daran zu denken als an ihr verrücktes Gefühl von Verrat. Sie konzentrierte sich so gut wie möglich auf die Landschaft unter ihr. Die Unterschiede in der Oberflächenbeschaffenheit erstaunten sie nach der ausgeprägt flachen Landschaft um Derby. Auf Abes Station gab es flache Gebirgszüge und plumpe Spitzen aus schwarzem Fels. Dazwischen lagen schmale Streifen Grasland und wenige Bäume. Ganz selten gab es Flecken von lebhaftem Grün.
»Sickerstellen und kleine Quellen«, sagte Cole, als er Erins Interesse bemerkte. »Die schwarzen Felsen sind Kalksteinerhebungen aus dem Trias.«
Sie nickte abwesend, versunken in die Landschaft.
Als Erin nicht antwortete, sah Cole sie prüfend an. Ihre Schultern waren nicht mehr ganz so steif wie vorher. Auch ihr Mund war entspannter. Ihr Ärger über ihn hatte nachgelassen.
Erin kam es weit vor bis zum Ostrand der Station, wo sie nach Norden abdrehten. Hier erschienen noch mehr Felsrücken und flache Senken. Die verstreuten roten Felsen auf den Hügeln wirkten wie eine über das Land gelegte verknautschte Decke. Wege oder Pfade gab es nicht. Auch keine Gebäude oder sonstigen Anzeichen dafür, daß je zivilisierte Menschen hierhergekommen waren.
Gelegentlich sah Erin unten ein Rind oder ein Känguruh, die vor dem donnernden schwarzen Schatten des Hubschraubers flüchteten. Einmal sah sie einen kleinen schwarzen Kreis umgeben von etwas, das in zahlreichen Glitzerpunkten das Licht spiegelte. »Was ist das?« fragte sie.
Cole wandte sich von einer interessanten geologischen Erscheinung der Landschaft ab und sah zu der Stelle, auf die Erin zeigte. »Ein Aborigine-Lager«, sagte er. »An dem schwarzen Fleck war das Feuer.«
»Und was glitzert da so?«
»Kaputte Bierflaschen und zerbeulte Bierdosen.«
Wann immer sie dort gewesen sein mochten, jetzt war niemand zu sehen. Nur das wilde, ungezähmte Land.
»Wo sind die Eingeborenen?« fragte Erin.
»Vielleicht sind sie seit gestern oder schon seit der letzten Regenzeit weg. Das kann ich von hier nicht erkennen.«
»Wo sind ihre Wohnplätze?«
»In der Trockenzeit brauchen sie keine. In der Regenzeit wohnen sie unter überhängenden Steinen, wenn sie nicht in Reservaten leben. Dort hat die Regierung Häuser für sie gebaut. «
Der Hubschrauber flog weiter in Richtung Norden und hatte bisher noch nicht einmal eine Seite der riesigen rechteckigen Windsor-Besitzung abgeflogen. Erin begriff zusehends, wie groß die Fläche war, die für jemanden, der zu Fuß ging, kaum zu bewältigen schien. Ihre gedämpfte Laune verstärkte sich, denn ihr wurde klar, daß sie nicht nur den Mann neben sich falsch eingeschätzt hatte, sondern auch das Land da unten. Trotz aller Vorwarnungen hatte sie sich nicht vorstellen können, daß Australien so rauh und so leer sein und seine Geheimnisse so gut hüten würde. Und sie hatte nicht geglaubt, daß der kleine Fleck auf der Landkarte, der Windsor-Station hieß, so groß sein könnte, daß es eine körperliche Herausforderung war, ihn zu erforschen. Es gab kein Eis, keine ungezähmten Flüsse, keinen Dschungel, keine Berge, nicht einmal einen wirklichen Wald - nichts, was die eigentliche Natur des Landes verborgen hätte. So gut konnte doch Abes Diamantenmine gar nicht versteckt sein.
Erin hatte nicht geahnt, wie unwirtlich das Land hier war. ln Alaska gab es das Meer und die lachsreichen Flüsse für die Ernährung der Eingeborenen. Auf dem Kimberley-Plateau gab es weder Meer noch Flüsse. Auch keine wandernden Tierherden oder verzehrbare Vögel, keine Pflanzenwelt voller Beeren und Samen.
Und vor allem gab es nirgends klares, frisches
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