Flammendes Begehren
entledigte sie sich des Nachthemdes und zog sich das schlichte Untergewand aus Leinen über. Zu ihrer Erleichterung betrat just in diesem Moment Elena das Gemach. Nachdem sie das magere Frühstück, das aus Brot, Blaubeeren und Bier bestand, auf dem Tisch abgestellt hatte, eilte sie zu Elizabeth.
»Warum lässt er mich rufen? Geht es schon wieder um diese vermaledeite Satteldecke?«, fragte sie, während Elena mit dem Schnüren beschäftigt war.
»Ich weiß es nicht, Mylady.«
»Deine Hände zittern ja!«
Die Magd hielt Elizabeth’ Blick kurz stand, ehe sie auf den Boden sah. »Mylord ist heute Morgen in einer höchst seltsamen Laune.« Elena schob sie zu dem hölzernen Schemel vor dem Kamin und begann, nachdem Elizabeth sich gesetzt hatte, damit, ihr Haar zu Zöpfen zu flechten.
Während der Kamm aus Elfenbein durch ihre Haare glitt, ließ sie den vorangegangenen Abend Revue passieren. Geoffrey hatte sie mit Wein und Süßigkeiten verwöhnt, ihr von seinen Wunden der Vergangenheit und seinen Plänen für die Zukunft erzählt, ehe er sie, und sie konnte es noch immer nicht glauben, geküsst hatte – voller Zärtlichkeit, wohlgemerkt. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er sich in einen galanten Verehrer verwandelt, der ihr den Hof machte. Als er ihren Zopf gelöst hatte, war er nicht minder zartfühlend ans Werk gegangen wie Elena. Die Erinnerung an seine Zärtlichkeiten und seinen Kuss bescherte ihr ein wohliges Schaudern. Um ihrer Gefühle Herr zu werden, strich sie sich über das zerknitterte Kleid.
Auf Elenas Geheiß hin senkte Elizabeth den Kopf, damit die Magd den Zopf feststecken konnte. Doch die Erinnerungen waren hartnäckig, wollten sich nicht so leicht abschütteln lassen. Ehe sie es sich versah, entstand ein Bild von seinem lebendigen Gesichtsausdruck vor ihrem geistigen Auge. Sie meinte, noch zu hören, was er gesagt hatte: Ihr hattet vor, mich zu verführen.
Mit gerunzelter Stirn blickte sie auf ihre zusammengefalteten Hände. Mochte sein, dass sie ihn dazu ermutigt hatte, sie zu küssen, aber das gab ihm noch lange nicht das Recht, ihr einen derartigen Vorwurf zu machen. Schließlich hatte er den ersten Schritt getan.
Ein letzter Rest Schläfrigkeit wich bodenloser Verärgerung. Es war nicht ihr Fehler, dass ihm schneller der Kragen platzte, als ein Falke zu fliegen imstande war!
Ihr Blick glitt zu dem erlauchten Seidengewand und dem edlen Untergewand, die fein säuberlich zusammengefaltet auf dem Tisch lagen. »Warum muss ich eigentlich dieses entsetzliche Gewand tragen? Ich dachte, ich könnte die anderen Kleider anziehen.«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Elena mit gedämpfter Stimme. »Mylord hat ausdrücklich angeordnet, dass Ihr das grüne Gewand tragt.«
Nachdem Elizabeth das Frühstück heruntergeschlungen hatte, folgte sie der Magd auf den Korridor hinaus. Statt sie in Geoffreys Gemach oder in die große Halle zu geleiten, führten die Wachen sie in den Innenhof.
Beim Verlassen des moderig riechenden Vorbaus pulsierten Überraschung und Aufregung in Elizabeth’ Adern. Der Himmel über ihren Häuptern war saphirblau. Die leichte Brise, die den Geruch nach Pferden, feuchten Steinwänden und Wildblumen mit sich trug, spielte mit Elizabeth’ Gewand und blies ihr jene Haare, die nicht in den Zopf gebannt worden waren, über die Wangen. Eine Kinderstimme drang an ihr Ohr, und sie beobachtete, wie ein Junge den wühlenden Schweinen Küchenabfälle zum Fraß hinwarf.
Gelächter zog ihren Blick auf die rietgedeckten Stallungen. Geoffrey stand gegen einen Holzkarren gelehnt und plauderte mit Dominic. Im Sonnenlicht blitzte das dunkle Haar dieses Schufts hie und da silbern auf, was Elizabeth an das Glimmen in seinen Augen erinnerte, wenn er sie zu einem Wortgefecht herausforderte. Wie stattlich er mit seinem Lederwams, den engen braunen Beinkleidern und seinen Lederstiefeln aussah!
Die Wachen befahlen ihr weiterzulaufen. Als sie sich aus dem Schatten der Burg löste und in das pralle Sonnenlicht trat, drehte er sich um und blickte zu ihr hinüber. Er setzte eine zurückhaltende Miene auf. »Mylady.«
Sie lief an den schmatzenden Schweinen vorbei und blieb vor ihm stehen. »Mylord, warum habt Ihr mich in den Innenhof bestellt? Wollt Ihr, dass ich hier draußen sticke, damit ich besser sehen kann?«
Dominic gluckste. Als sie ihm in die runden ausdrucksvollen Augen sah, ließ er den Blick durch den Hof schweifen. Worin auch immer das Geheimnis begründet lag, er würde es ihr
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