Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
vor«, bestätigt die Frau kopfnickend.
»Rufen Sie mich dann bitte sofort an«, sagt er und gibt ihr seine Karte.
»Kriminalkommissar?«, liest sie erstaunt und klemmt die Visitenkarte an die Pinnwand hinter dem Schreibtisch im Sekretariat.
12
ALS JOONA LINNA AN DIE FRISCHE LUFT KOMMT , atmet er tief durch, so als hätte er die Luft angehalten. Vielleicht hatte Rosa Bergman mir etwas Wichtiges mitzuteilen, denkt er. Möglicherweise ist sie von jemandem beauftragt worden. Aber dann wurde sie dement, bevor sie ihren Auftrag erfüllen konnte.
Er wird niemals erfahren, wie es gewesen ist.
Zwölf Jahre sind vergangen, seit er Summa und Lumi verlor.
Die letzten Spuren zu ihnen wurden mit Rosa Bergmans verlorenem Gedächtnis ausradiert.
Jetzt ist es vorbei.
Joona setzt sich in den Wagen, wischt die Tränen von seinen Wangen, schließt kurz die Augen und dreht den Schlüssel im Zündschloss, um nach Stockholm zurückzufahren.
Er ist auf der Europastraße 45 etwa dreißig Kilometer nach Süden, in Richtung Mora gefahren, als ihn Carlos Eliasson, der Leiter der Landeskriminalpolizei, anruft.
»Wir haben einen Mord in einem Jugendheim bei Sundsvall«, sagt Carlos mit angespannter Stimme. »Der Anruf ging heute Morgen um kurz nach vier bei der Notrufzentrale ein.«
»Ich bin beurlaubt«, erwidert Joona tonlos.
»Du hättest trotzdem zu unserem Karaoke-Abend kommen können.«
»Ein anderes Mal«, sagt Joona wie zu sich selbst.
Die Straße verläuft schnurgerade durch Wald. Zwischen den Bäumen glitzert in der Ferne ein silbriger See.
»Joona? Was ist passiert?«
»Nichts.«
Im Hintergrund ruft jemand Carlos etwas zu.
»Ich habe jetzt eine Vorstandssitzung, aber ich möchte … Ich habe gerade mit Susanne Öst gesprochen, und sie sagt, dass die Polizei des Westlichen Norrlands nicht die Absicht hat, bei der Landeskripo offiziell Hilfe anzufordern.«
»Und warum rufst du mich dann an?«
»Ich habe ihr gesagt, dass wir einen Beobachter schicken werden.«
»Wir schicken doch sonst nie Beobachter.«
»Diesmal schon«, erläutert Carlos mit gesenkter Stimme. »Die Sache ist leider ein bisschen heikel. Erinnerst du dich noch an Janne Svensson, den Kapitän der Eishockeynationalmannschaft … die Presse wollte damals überhaupt nicht mehr aufhören, über die Inkompetenz der Polizei zu schreiben.«
»Denn sie fanden nie …«
»Sag nichts – es war Susanne Östs erster großer Fall als Staatsanwältin«, fährt Carlos fort. »Ich will damit nicht sagen, dass die Presse recht hatte, aber die Polizei im Westlichen Norrland hätte dich damals gut gebrauchen können. Sie waren zu langsam und hielten sich zu strikt ans Regelwerk, so dass wertvolle Zeit verloren ging … das ist zwar nichts wirklich Ungewöhnliches, aber manchmal stürzt sich die Presse eben darauf.«
»Ich kann jetzt nicht länger sprechen«, sagt Joona.
»Du weißt, dass ich dich nicht fragen würde, wenn es um einen simplen Mordfall ginge.« Carlos holt tief Luft. »Aber über diese Sache wird die Presse berichten, Joona … dieser Mord ist sehr, sehr brutal, sehr blutig … und die Leiche des Mädchens ist arrangiert worden.«
»Wie? Wie ist sie arrangiert worden?«
»Anscheinend liegt sie mit den Händen vor dem Gesicht auf einem Bett.«
Joona schweigt, seine linke Hand liegt auf dem Lenkrad. Zu beiden Seiten des Autos flimmern Bäume vorbei. Carlos atmet in den Telefonhörer. Im Hintergrund hört man Stimmen. Wortlos biegt Joona von der E 45 auf eine Straße ab, die in östlicher Richtung zur Küste und anschließend nach Sundsvall führt.
»Bitte, Joona, fahr einfach mal hin … sei so nett und hilf ihnen, den Fall selbst zu lösen, am besten, bevor irgendwelche Kommentare in der Presse stehen.«
»Dann bin ich also kein Beobachter mehr?«
»Doch, bist du … bleib einfach in der Nähe, beobachte die Ermittlungen, mach ihnen Vorschläge … Dir muss nur immer klar sein, dass du keine operativen Aufgaben hast.«
»Weil gegen mich intern ermittelt wird?«
»Es ist wichtig, dass du dich zurückhältst«, antwortet Carlos.
13
NÖRDLICH VON SUNDSVALL verlässt Joona die Küstenstraße und nimmt die Landstraße 86, die am Flusslauf des Indalsälven entlang ins Landesinnere führt.
Nach zweistündiger Autofahrt nähert er sich seinem Ziel.
Er bremst und biegt in eine schmale, nicht asphaltierte Straße ein. Sonnenlicht fällt durch die Wipfel der hohen Kiefern und sickert zwischen den Stämmen hindurch.
Ein totes
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