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Flammenopfer

Flammenopfer

Titel: Flammenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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Internet waren. Immer wieder war eine Zeile oder eine Zahl gelb markiert.
    Was Dodo mit den Klebezetteln beabsichtigte, erschloss sich ihm allerdings nicht. Eine Ordnung oder ein Vorschlag von Prioritäten war nicht erkennbar, jedenfalls erkannte er sie nicht.
    Er nahm das Deckblatt, auf das Petra ihre Zusammenfassung getippt hatte:
    » Im Vorjahr gab es ca. 14 000 Fälle fahrlässiger Brandstiftung und Herstellung von Brandgefahr in Deutschland. Dazu kommen fast 17 000 Fälle vorsätzlicher Brandstiftung. In Berlin insgesamt 2200 Brände im Jahr. In Nordostdeutschland brennt es weit häufiger als im Süden – oder die haben andere Statistiken. Die meisten Brände werden von Jugendlichen und Heranwachsenden gelegt. Fast alle Täter sind männlich!
    Die fahrlässige Brandstiftung kann mit bis zu drei Jahren Knast geahndet werden (§ 309 StGB), bei Todesfolge bis zu fünf Jahren. Zwei Drittel dieser Fälle werden aufgeklärt. Bei den vorsätzlichen Brandstiftungen liegt die Aufklärungsrate bei nur einem Drittel.
    Übrigens: » Brandstiftung« heißt strafrechtlich, dass fremdes Eigentum betroffen ist. Wer eigene Gegenstände anzündet oder dies versucht, dabei aber ein Übergreifen auf Fremdeigentum in Kauf nimmt, begeht ein Verbrechen namens » mittelbare Brandstiftung«. Handelt es sich beim Fremdeigentum z.B. um eine Wohnung (also um einen Ort, an dem sich mindestens gelegentlich Menschen aufhalten können), ist es » schwere Brandstiftung« (§ 306 StGB) = mindestens ein Jahr Knast. Bei Todesfolge = besonders schwerer Brandstiftung (§ 307 StGB) gibt es Knast bis lebenslänglich, mindestens aber zehn Jahre.«
    Die gute Petra, dachte er. Petra und ihr Gerechtigkeitsdenken. Sie schreibt viel über die Strafen. Aber nichts über die Motive. Was bewegt jemanden, sein Haus oder das eines anderen anzuzünden?
    Nach einigem Blättern fand er aber doch manche von Petra angekreuzte Ausführung zu den Beweggründen. Er las über Brandstiftungen, die mit voller Absicht begangen wurden, um anderen zu schaden, und über Jugendliche, deren Brandlegung ein gestörtes Sozialverhalten voranging. Er las von Menschen, die sich von Stimmen getrieben fühlten, Feuer zu entfachen, und von Fällen, in denen die Täter aus irgendeinem Grund nicht Herr ihrer Sinne waren: zu viel Alkohol, Drogen, Gedächtnisstörungen und so weiter.
    Besonders dick hatte Petra einen Absatz über Pyromanie angestrichen. Demnach sei das Interesse an Feuerwehrautos, das manche Personen an den Tag legen, beachtenswert. Sternenberg musste an seine Kindheit denken und wie er jedem Blaulicht auf dem Fahrrad hinterhergestürmt war, in der Hoffnung, die Wagen einzuholen und einen Großeinsatz mitzuerleben.
    Die Faszination des Pyromanen konzentriere sich auf alle Gegenstände, die mit dem Feuerlöschen zu tun haben. Deshalb müsse die Feuerwehr auf ihren Tagen der offenen Tür und sowieso am Rande ihrer Brandeinsätze zumindest ein Auge auf Typen haben, die allzu fasziniert wirken. Pyromanen ließen sich von allem, was mit Feuer zu tun hat, magisch anziehen. Gerne alarmierten sie die Feuerwehr oder seien von dem Gedanken getrieben, sie anzurufen.
    Wo verläuft da die Grenze zum Krankhaften, fragte er sich. Wie viele Menschen schauen den knallroten Feuerwehrautos hinterher? Und noch mehr sehen zu, wenn die Flammen aus Fenstern lodern und die Männer in Schutzkleidung reingehen und den Kampf mit der Naturgewalt Feuer aufnehmen, um sie mit einer anderen Naturgewalt zu löschen.
    Er las, dass die meisten Pyromanen nicht nur vom Feuer fasziniert sind, sondern dass sie es auch mehrfach selbst gelegt haben. Das, dachte Sternenberg, machen wohl doch nur wenige. Die Betroffenen berichteten von einer heftigen inneren Spannung vor der Brandstiftung und von einer immensen Erregung unmittelbar danach. Als Junge hatte er Papierkügelchen in Benzin getränkt und angezündet und sie mit einem Katapult auf Papierschiffchen geschossen, die er in einen Teich gesetzt hatte. Das war spannend und erregend, dachte er. Aber ich bin dann wohl doch recht schnell auf andere Reize ausgewichen.
    Weshalb ist eigentlich der erste Reflex, wenn man über ein Krankheitsbild liest, das Gefühl, man könne selber an eben dieser Krankheit leiden? Bei den äußeren, körperlichen Schäden ist die Gefahr gering, weil die meisten wissen, woran sie leiden. Schon schwieriger, wenn es um Organisches geht oder um Diagnosen wie gelegentliche Übelkeit und Mattigkeit oder ein unbestimmtes Hochgefühl oder ein

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