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Flammenopfer

Flammenopfer

Titel: Flammenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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eine Tasse Kaffee und vier halbe Brötchen – dick bestrichen mit Butter und Orangenmarmelade. Außerdem ein selbstgebastelter Pressespiegel, dessen Klebstoff noch feucht durchschimmerte.
    » Lebendig verbrannt« – die Überschrift war beim Kopieren verkleinert worden. Aus Hans-Jürgen Rabein war Hansjürgen Rabien geworden. Er hinterließ außerdem vier Kinder und war erst kurz zuvor von seiner » blutjungen« Frau verlassen worden.
    In einem anderen Artikel stimmten die Namen. Die aus dem Osten stammende Zeitung wusste von einer Katze, die unter den Trümmern lag, und es wurde spekuliert, warum das Tier nicht rechtzeitig hatte flüchten können. Ein Tierarzt stand Rede und Antwort, das jedenfalls suggerierte ein Textkasten neben dem Foto des ausgebrannten Daches. Die seriösen Blätter hatten auf den Brand in der Nacht noch nicht reagiert.
    Auf dem Schreibtischstuhl lag ein in durchsichtige Plastikfolie verpacktes Stück schwarzen Stoffes. Sternenberg untersuchte es und fand heraus, dass es ein T-Shirt war. Er trank einen Schluck, stopfte sich die dritte Brötchenhälfte in den Mund und griff sich das T-Shirt und die Papiere.
    » Danke, dass du mir nicht auch noch eine Unterhose hingelegt hast, Dodo.«
    Der winkte ab.
    Das Stahlgittertor war schon am Morgen von der Sonne gewärmt. Das Schloss der Haustür klang satt, als Sternenberg den Schlüssel in ihm drehte. Im Treppenhaus roch es nach Linoleumpolitur.
    Als er an der Tür zur Telefonseelsorge klopfte, öffnete ihm ein Mann, der die Jeansjacke zum Gehen angezogen und die Lederschultertasche umgehängt hatte. Der Mann sagte, dass es schon eine Viertelstunde nach sechs sei und dass er losmüsse und dass es genüge, wenn Sternenberg bis neun Uhr bliebe. Sternenberg sagte dem Mann, dass es für die Jeansjacke zu warm war, aber der hatte es eilig.
    Sternenberg warf Dodos T-Shirt-Plastikpack auf die Liege, sah, dass alle vier Leitungen gesperrt waren und öffnete die erste. Die 1 war seine Lieblingsleitung, aus Gewohnheit, und vielleicht, weil sie ihm das Gefühl gab, unmittelbarer zu sein, auch wenn es dafür keine technische Begründung gab.
    Es roch nach Rauch, und so riss er die Fenster auf und ließ den Heuschnupfen herein. Im Sonnenstrahl flimmerten die Staubteilchen, wie sie es sonst erst mittags tun.
    Er ging den Flur hinunter zum Bad. Das Wasser war kalt und erfrischend im Nacken, im Gesicht, auf der Brust und unter den Armen. Ohne sich abzutrocknen, lief er ins Sprechzimmer zurück und riss das Plastik auf. Er wechselte das T-Shirt. Es wäre gut gewesen, noch mehr Kleidung zum Wechseln dabeizuhaben, aber daran hatte er am Vorabend beim Bier nicht gedacht, und Dodorovic hatte schon genug für ihn getan. Aus dem Kühlschrank nahm er eine Mineralwasserflasche und trank so viel auf einmal, dass die Geräusche dabei nicht schicklich gewesen wären, wenn ihn jemand gehört hätte.
    Er schlug das Tagebuch auf und suchte die letzten Gespräche von Monika, mit der er vorgestern Dienst hatte. Die Dauer des Gespräches, das er unterbrochen hatte, hatte sie mit 20 Minuten angegeben. Keine Aussage zum Ende des Telefonates, und als Motiv nur » Suizidgedanken«, dazu Kennzahlen, die auf den Verlust des Arbeitsplatzes schließen ließen. Der Aufzeichnung zufolge hatte derselbe Mann fünfzehn Minuten später noch einmal angerufen. Und wieder schrieb sie » Suizidgedanken«. Nichts weiter. Das Gespräch war nach drei Minuten beendet. Er überflog die folgenden Eintragungen. Der Mann hatte es später offenbar nicht noch einmal mit der Telefonseelsorge versucht.
    Unter das Telefon war ein Fensterumschlag geklemmt. In dem Fenster war kein Text zu sehen. Auf dem Umschlag standen die Buchstaben K A I , so groß, als handle es sich um eine Partei oder um einen Fernsehsender. Er ließ sich in den Drehsessel fallen, nahm den Umschlag und öffnete ihn mit dem Zeigefinger als Brieföffner. Es war die handschriftliche Notiz eines hauptamtlichen Mitarbeiters, der zugleich einer der Ausbilder war.
    Monika habe sich über ihn beschwert. Es habe einen Übergriff gegeben, und darüber wolle man mit ihm dringend reden.
    Er zerriss den Zettel und den Fensterumschlag und nahm sich Petras Materialsammlung über Brandstiftung vor. Dabei legte er die Beine auf den Schreibtisch. Übergriff!, dachte er. Das Etikett der Wasserflasche schlug Falten, so viel Kondenswasser hatte sich gebildet. Er blätterte den Stapel schnell durch und sah, dass die meisten Blätter Ausdrucke von Webseiten aus dem

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