Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flammenopfer

Flammenopfer

Titel: Flammenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
Vom Netzwerk:
wissen? Gab es andere Anwälte aus ihrem Kreis, die Opfer von Bränden wurden? Wer hatte ein Interesse daran, die Männer auf spektakuläre Weise zu töten, noch dazu ohne die Garantie, dass es funktioniert. Rauchmelder hätten die Schlafenden wecken und ihnen eine Überlebenschance geben können. Kannte der Mörder die Wohnungen, hatte er vorhandene Rauchmelder manipuliert? Kannten Jarczynski und Rabein ihre Mörder? Hatte der Täter sie beobachtet, um zu wissen, dass sie schlafen? Was, wenn der Täter in die Wohnungen eingelassen wurde und die Opfer auf irgendeine Art in ihren Betten fixierte? Wenn sie nicht gefesselt wurden, dann eventuell betrunken gemacht. Rabein und Jarczynski waren stark alkoholisiert.
    Es gab noch eine andere Möglichkeit: Dem Täter mochte es egal sein, dass es sich um Anwälte handelte. Ein Zufall. In teuren Penthäusern leben nun mal hauptsächlich Menschen mit Geld: Ärzte, Manager, Rechtsanwälte … Warum sollte das Motiv nicht der Neid der Besitzlosen sein? Wie viele Berliner konnten nicht einmal im Traum daran denken, sich solch eine Wohnung und solch einen Ausblick zu leisten. Hausbesetzer gab es zwar kaum noch in der Stadt, aber die Gruppen, die sich gegen den Zuzug reicher junger Wessis wandten, waren nicht kleiner geworden. Ein politisches Motiv also? Ein soziales?
    Sternenberg überlegte, wie man es anstellen müsste, Feuer in einer Wohnung zu legen. Von außen, in einer Dachgeschosswohnung. Dabei nahm er sich seine eigene Wohnung als Vorbild und ging in Gedanken um sie herum, suchte nach Vorsprüngen, in denen sich brennbares Material deponieren ließ, oder nach Kaminen und Abzugsventilen, über die sich etwas einleiten ließe. Dann fiel ihm das Naheliegendste ein: offene Fenster. Er sah sich über das Nachbardach zu seiner Terrasse hinübersteigen und sich dicht an das Fenster lehnen, um in das Dunkel der Wohnung zu schauen. Da drinnen lag er im Bett und schlief. Durch das Fenster ließ er benzingetränkte Lappen fallen und entzündete sie – auf welche Weise?
    Er band Lappen an eine ebenfalls getränkte Schnur und warf sie, so gut das durch das gekippte Fenster ging, wie eine Angel möglichst weit ins Zimmer hinein. Dann hielt er das Feuerzeug an die Schnur und stieg von der Terrasse über das Nachbardach zurück in die Dunkelheit. Drinnen zischten die Lappen einer nach dem anderen auf. Die Flammen griffen auf den Teppich über, der das Benzin leicht aufsog, bis es verpuffte. Der Rauch stieg im Zimmer auf, und nach einigen ruhigen Atemzügen ging sein Schlaf in Bewusstlosigkeit über. Dann erfasste das Feuer das Laken und die Decke und seine Haare und seinen Körper.
    Er suchte nach einer halbvollen Mineralwasserflasche im Auto und trank alles aus. Das Wasser war schal. Was bei der Theorie fehlte, war das Motiv.
    Auf der Straße gab es nur die üblichen Bewegungen. Traube war mit seinen Leuten gekommen, und während die Mitarbeiter sich von der Feuerwehr einen Weg bahnen ließen, sprach Traube mit dem Einsatzleiter. Die Kolleginnen und Kollegen kamen aus dem Haus zurück, erzählten ihrem Vorgesetzten, was sie gesehen hatten, und fuhren weg.
    Die Zahl der Schaulustigen hatte sich reduziert, alle Blaulichter waren abgeschaltet. Schläuche wurden auseinandergenommen und aufgerollt, die Rollos der Gerätewagen rauschten herunter und wurden abgeschlossen. Die roten LKWs starteten. Hier und da schwang sich noch ein Feuerwehrmann hinein.
    Sternenberg rückte seinen Sitz zurück und lehnte den Kopf in die Stütze. Jetzt begann der schwierigste Part. Warten. Warten auf irgendwas. Warten auf etwas Außergewöhnliches. Darauf, dass Traube zurückkommt, zum Beispiel. Es war 1.55 Uhr. Sternenberg wusste noch nicht, dass in dieser Nacht das Warten umsonst war.

8
    Um kurz vor sechs Uhr fuhr ein alter Alpha zu schnell an ihm vorbei. Der Fahrer trug Sonnenbrille und blickte stur geradeaus. Es war Tarek, Sternenbergs Ablösung.
    Kai Sternenberg stellte den Wagen vor dem Büro im halben Halteverbot ab. Jano Dodorovic war früh aufgestanden und hatte die von Petra zusammengetragenen Unterlagen mit gelben Klebezetteln versehen.
    Dodorovic trug einen königsblauen Schlips zu einem mattgrauen Anzug. Sternenberg konnte sich mit dem Geschmack des Mannes nicht anfreunden. Aber er schätzte es, dass Dodorovic seinetwegen so früh im Dienst war. Noch mehr schätzte er, dass er außer einem leisen » Guten Morgen« gar nichts sagte, und auch diese Worte klangen belegt.
    Auf seinem Schreibtisch standen

Weitere Kostenlose Bücher