Flammenopfer
Spurensicherung eingefangen hat.«
Sternenberg lachte, die Markiewicz aber nicht.
» Er hat sich eine Weile draußen umgesehen. Ist zu mir reingekommen und war nach drei Minuten hier drin wieder weg.«
» Worum ging es, als er hier war?«
» Das, was die Polizei wohl immer wissen will. Verdachtsmomente. Mein Personal. Beobachtungen. Ob ich jemanden kenne.«
» Wen?«
» Er nannte eine Frau. Kannte ich nicht.«
» Können Sie sich erinnern?«
» Nein. Anschließend zeigte er mir ein Foto. Aber ich hatte sie nie gesehen.«
» Julia Grau.«
Sie kniff die Augen zusammen. » Das kann sein. Er sagte, sie sei tatverdächtig. Hätte schon eine Reihe von Bränden gelegt.«
» Das hat er gesagt?«
» Ja.«
» Und sonst noch?«
» Er war nicht an weiteren Antworten interessiert. Er ging so schnell, wie er angerauscht war.« Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, aber eine Spur von Amüsement huschte über ihr Gesicht. » Es geht nicht um eine Dienstaufsichtsbeschwerde, Herr Sternenberg, nicht wahr? Obwohl es nicht unverdient wäre. Als sich ihm zwei Kinder näherten, draußen am Gartenhäuschen, stürmte er raus, schrie sie zusammen und ließ den Bereich absperren. Ich habe ihm gesagt, dass ich sein Verhalten nicht akzeptiere. Normalerweise hätte ich ihn zusammengefaltet.«
» Das glaube ich.«
» Aber die Kinder standen wegen des Brandes unter Schock. Ich habe sie hereingeholt und wollte nicht noch Probleme mit diesem Mann.«
» Verstehe.«
» Er kann den Fall nicht allein lösen, stimmt’s? Deshalb müssen Sie hinterher.«
» Dazu kann ich nichts sagen.«
» Brauchen Sie auch nicht. Er war aggressiv, weil er panisch ist. Mir ist es egal. Ich habe mit den Kindern genug zu tun. Da kann ich mich nicht auch noch um Polizisten kümmern.«
Sternenberg lachte. » Können wir hinausgehen?«
Um in den Garten zu gelangen, mussten sie durch zwei Wohnräume gehen. Das Mobiliar erinnerte ihn an die Fünfziger- und Sechzigerjahre. Bevor sie in den zweiten der beiden Räume gehen konnten, ging die Tür vor ihnen zu. Es war eine fast drei Meter hohe Holztür, die einmal weiß gewesen sein mochte – oder elfenbeinfarben. Jetzt war sie beige, und die Messingklinken hatten lange keine Politur mehr bekommen. Man poliert keine Türen, wenn Kinder da sind, dachte er.
Langsam ging die Tür wieder auf. Eine kleine Hand holte sie zu sich heran. Das Kind achtete nicht weiter auf die Leiterin und auf Sternenberg, sondern sah die ganze Tür hinauf und beobachtete, wie sie sich bewegte.
» Müssen wir hier durch?«, fragte Sternenberg.
» Ja. Aber warten Sie.«
Es war ein blondes Mädchen, das noch nicht lange laufen konnte und erst recht nicht an die Türklinke reichte. Als die Tür sich wieder langsam schloss, befürchtete Sternenberg, dass sich das Mädchen die Finger einklemmte, aber die Markiewicz legte ihm für einen Moment die Hand auf den Arm. Ein unmissverständlicher Befehl, sich nicht einzumischen.
Erneut ging die Tür auf. Das Mädchen beobachtete, wie sich die große Tür in einem Halbkreis über den Holzboden bewegte. Nur weil ihre Hand auf einer Seite ein bisschen dagegendrückte. Das Kind schob und zog die Tür hin und her und versuchte aus verschiedenen Perspektiven zu verstehen, was vor sich ging. Man konnte dieses Monstrum langsam bewegen, wenn man es nur wenig drückte. Dann hielt es an. Man konnte es auch schneller bewegen. Und obwohl es so groß und schwer war, viel höher als alles andere, konnte ein kleines Mädchen bestimmen, was dieses große Monstrum tat.
Sternenberg wurde ungeduldig. Er hatte Verständnis für das Spiel, wusste aber nicht, warum sie nicht an dem Mädchen vorbei in den Garten gehen konnten. Er machte einen halben Schritt vorwärts, nur zum Test, und spürte wieder den Arm. Man konnte sich nur in sein Schicksal fügen.
Das Kind stellte fest, dass die Bewegungen der Tür das Gefühl im Raum veränderte. Etwas war anders, wenn die Tür in die eine Richtung ging. Dann war der Raum so, dass man nicht sehen konnte, was draußen war. Wenn man sie zog, konnte man sehen, dass es dahinter noch etwas gab. Es gab noch andere aufregende Dinge. Wenn man die Tür schubste, ging es erst ganz schwer. Dann schwebte die Tür ein Stück allein, manchmal kam man mit der Hand nicht hinterher. Und dann hielt die Tür langsam an. Man konnte sie auch in kleinen Schüben stoßen. Oder hin und her bewegen, wenn man beide Hände nahm. Warum ging das alles so? Hinten war die Tür festgemacht. Da
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