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Flammenopfer

Flammenopfer

Titel: Flammenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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vieles durcheinander. Wir verlieren den Überblick. Versuchen Sie, ihn heute woanders abzugeben.«
    Das Mädchen mit der pinkfarbenen Hose war umgefallen. Der Hund drückte ihr die Schnauze in die Seite. Sie quiekte. Dann stand sie auf und tätschelte Sprottes Nase.
    » Es geht mir nicht um heute. Ich meine: auf Dauer.«
    Sie winkte ihm, mit ihr ins Haus und ins Büro zu gehen, setzte sich und wies ihm seinen alten Stuhl zu.
    » Was ist Ihr Plan, Herr Sternenberg?«
    » Der Hund gehörte meinen Töchtern. Sie sind erwachsen, leben nicht mehr in Berlin und werden ihn auf absehbare Zeit nicht zu sich nehmen wollen. Die Frau, die ihn lange bei sich hatte, geht ins Krankenhaus. Sie will die Verantwortung nicht mehr übernehmen. Und ich habe einen Beruf, bei dem ich wenig zu Hause bin. Da geht Sprotte ein, also, so heißt der Hund: Sprotte.«
    Sie lehnte sich zurück. » Weiter.«
    » Na ja, wenn ich sehe, welche Attraktion der Hund für die Kinder ist … Vielleicht wäre es schön für sie, einen Hund zu haben.«
    » Wir nehmen keine Hunde, Herr Sternenberg.«
    » Sicher. Ich verstehe.«
    » Gut.«
    » Aber Sie hatten einen kleinen Zoo für die Kinder. Die Tiere sind alle tot …«
    » Ein Meerschwein lebt noch.«
    » Es wäre außergewöhnlich, wenn Sie einen Hund nehmen würden. Sie wollten das nie. Aber der Brand war auch außergewöhnlich. Vielleicht ist der Hund ein Trost.«
    Sie atmete tief ein und starrte an ihm vorbei an die Wand. » Was heißt für Sie: auf Dauer?«
    » Unbegrenzt.«
    » Bis der Hund stirbt.«
    » Jjja, natürlich.«
    » Wie alt ist er?«
    » Acht, glaube ich. Schon fast eine alte Dame.«
    » Dann haben die Kinder nicht mehr lange was von ihm.«
    Er suchte nach einer Antwort.
    » Herr Sternenberg. Sie wollen uns den Hund schenken?«
    » Ja. Es wäre für mich eine Entlastung. Für Sie, also für die Kinder, wäre es vielleicht eine Bereicherung. Und Sprotte ist ein Kinderhund. Nicht mehr ganz so munter wie früher, aber …«
    » Sie sagen mir innerhalb einer Woche definitiv, ob Sie uns den Hund überlassen.«
    » Gut, aber …«
    » Inzwischen fragen Sie Ihre Töchter und überlegen sich die Sache. Und ich kläre mit meinen Frauen, ob sie bereit sind, das Tier zu nehmen.«
    » In Ordnung. Ich glaube trotzdem, ich bin sicher.«
    » In einer Woche unterschreiben Sie einen Schenkungsvertrag. Sie verzichten auf jede Rückgabe. Bringen Sie alle Unterlagen mit. Sie zahlen weiterhin die Hundesteuer und das Futter. Ist was?«
    Er grinste. » Na ja, daran habe ich noch nicht gedacht.«
    » Aber ich. Wir haben kein Geld für einen Hund.«
    Er kaute auf der Lippe. » Ja, das ist wahrscheinlich richtig. Ja, ich mache das.«
    » Sie verpflichten sich außerdem, den Hund zurückzunehmen für den Fall, dass wir schließen.«
    » Schließen?«
    » Die Frauen haben nur noch einen Vertrag bis Jahresende. Ich selbst gehe dann in Pension. Der Senat hat uns keine Zusage gegeben, ob er das Heim weiterhin finanziert.«
    » Es ist ein gutes Heim, finde ich. Es ist wichtig. Und …«
    » Sind die Bedingungen, den Hund betreffend, für Sie akzeptabel?«
    » Ja.«
    » Dann wünsche ich Ihnen Erfolg bei Ihrer Arbeit.« Sie stand auf und reichte ihm die Hand.
    Er ging hinaus und musste sich von Sprotte verabschieden. Zuvor drehte er sich zur Heimleiterin um und wollte etwas Geistreiches sagen. » Danke«, sagte er.
    Sie zuckte mit den Schultern.

17
    Sternenberg wachte auf. Als Decke hatte er nur ein dünnes Laken. Selbst das war ihm zu heiß. Die Fenster standen auf Durchzug, doch die Luft stand still und verbraucht im Zimmer, so wie in der ganzen Stadt. Er nahm die Armbanduhr vom Nachttisch und drehte sie so lange, bis er erkennen konnte, dass es zwei Uhr war.
    Die Bodenkacheln der Küche fühlten sich warm an. Der Kühlschrankgenerator japste. Im Licht des offenen Kühlschranks sah Sternenberg den Stapel Hundefutterdosen.
    Am Fenster öffnete er eine Flasche Mineralwasser und leerte sie. Man konnte ahnen, wo die Sonne hinter dem Horizont stand, der Himmel war an dieser Stelle nicht erloschen, und Schornsteine wie Giebel und Antennen zeichneten sich deutlich als Silhouetten ab. Eine kühle Brise wäre was, dachte er.
    Er ging in die Küche zurück und stellte die leere Flasche neben die Dosen. Er ließ Wasser aus dem Hahn fließen, bis es kalt war, hielt die Unterarme darunter und dann ein Glas. Sprotte schläft jetzt bei den Kindern. Ich habe sie im Heim abgegeben. Ich habe den Hund so abgegeben, wie Eltern ihre Kinder

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