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Flammenopfer

Flammenopfer

Titel: Flammenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
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die Straße hinunter und drehte sich immer wieder um. Die Kinder winkten. Die Eltern winkten. Die Frau sprach zu dem Mädchen und nahm seinen Arm in die Hand, um damit zu winken. Die Erzieherinnen dirigierten die Kinder zurück ins Haus. Die Grauhaarige vergewisserte sich, dass das Paar um die Ecke gebogen war und dass das letzte Kind, das sich nicht vom Zaun lösen wollte, den anderen ins Haus hinterherging.
    Jetzt wandte sie sich mit einem auffordernden Blick an Sternenberg.
    Er lächelte. » Ich störe, oder?«
    Sie sagte nichts.
    » Ich bin Kai Sternenberg. Ich komme von der Polizei. Ein Kollege von mir war schon da.«
    » Viele.«
    » Sie wundern sich, weshalb schon wieder jemand von der Polizei kommt.«
    Sie lächelte ein kurzes, nicht unfreundliches, aber nur der Konversation geltendes Lächeln. » Ich wundere mich nicht.«
    » Kann es sein«, fragte er und hielt Sprotte fester, obwohl sie völlig ruhig war. » … kann es sein, dass der Kollege, der die Untersuchung leitete, etwas – schwierig war? Es ist so, wir schätzen ihn als Fachmann. Aber sein Verhalten ist in letzter Zeit zu beanstanden. Ich habe die unangenehme Aufgabe, nachhaken zu sollen. Gegen ihn läuft eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Wir wollen ihm nicht schaden. Er sollte auch nichts von meiner Tätigkeit erfahren. Ich habe nicht vor, Sie auszufragen. Sie hatten ohnehin viel Ärger wegen des Brandes, und ich komme her und stelle dumme Fragen.«
    Sie sah auf den Hund. » Sie können hereinkommen, Herr Sternenberg. Aber Hunde dürfen nicht aufs Gelände.«
    » Ich musste den Hund mitnehmen. Im Moment kann ihn niemand betreuen. Ich wollte ihn nicht zu Hause lassen …«
    » Bringen Sie ihn rein, wir können ihn für den Moment in den Schuppen bringen. Der ist geräumig.«
    Sprotte fügte sich und setzte sich mitten in den Schuppen. Die Frau schaltete eine Glühbirne ein und schloss die Tür. Dann gingen sie ins Haus.
    » Das waren neue Eltern, die ein Kind abgeholt haben, eben?«
    » Ja. Es ist ein wichtiger Vorgang. Deshalb habe ich Sie zurückgewiesen.«
    » Bewegend für einen Außenstehenden, das zu sehen.«
    » Es ist für alle Beteiligten eine wichtige Zeremonie. Die Kinder sollen sehen, warum eines der Kinder sie verlässt. Es darf nicht einfach verschwinden. Wir haben vorher lange mit ihnen darüber gesprochen und sie vorbereitet. Das Kind selbst soll diesen Tag nie vergessen. Es muss noch einmal fühlen, dass es hier Freunde hat. Ein kurzer Abschied, denn das Kind soll sich so schnell wie möglich an die Eltern gewöhnen. Für die Eltern ist wichtig zu spüren, dass sie ein Kind aus einer sozialen Umgebung herausnehmen. Sie müssen verstehen, warum das Kind irritiert ist. Und dass sie ihm eine neue Umgebung aufbauen müssen.«
    » Für Sie und die Erzieherinnen ist es auch nicht leicht, oder?«
    » Meine Frauen arbeiten auf Tage wie diese hin. Das ist unser Ziel. Sie müssen alle dabei sein. Sie müssen das Abschiednehmen üben. Wir geben den Kindern Sicherheit und Geborgenheit. Wir sind nicht dazu da, ihnen so viel Liebe zu geben, dass sie sich an uns klammern und es in einer neuen Familie nicht mehr schaffen.«
    Ein Junge kam aus einer Tür geschossen. Er war aufgeregt.
    Sternenberg bückte sich und sah ihn an. » Hallo.«
    Der Junge blieb stehen und sah Sternenberg an.
    Die Leiterin nahm den Jungen an der Schulter und schob ihn sanft ins Zimmer zurück. » Andrea? Nehmen Sie Florian, bitte?«
    Eine der Frauen holte das Kind ab, das sich nach Kai umsah.
    Er richtete sich auf.
    Die Leiterin gab ihm die Hand. » Sie haben Kinder, Herr Sternenberg?«
    » Ähm ja, zwei. Aber sie sind bereits aus der Schule. Zwei Mädchen, Zwillinge.«
    Sie schien das Interesse verloren zu haben und öffnete ihm ihr Büro. » Markiewicz« stand an der Tür, und sie tippte auf das Schild. » Setzen Sie sich. Was genau müssen Sie wissen?«
    » Es hat gebrannt. Nicht im Haus, sondern in einem – Streichelzoo, wie ich hörte?«
    » Streichelzoo ist Unsinn. Es war das Gartenhaus. Darin hatten wir Boxen und Käfige für Kleintiere.«
    » Kann ich mir das ansehen?«
    » Viel ist nicht übrig geblieben.«
    » Wie haben die Kinder es aufgenommen? Immerhin sind ihre Tiere tot.«
    Sie lehnte die Ellenbogen auf die Tischplatte, sodass ihre Hände vor dem Gesicht waren. Die Fingerkuppen beider Hände tippten aneinander. » Das zum Beispiel hat Ihr Kollege nicht gefragt. Er raste wie angeschossen zum Gartenhaus. Da hat er so rumgefuhrwerkt, dass er sich Beschwerden der

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