Flammenopfer
Markiewicz Grüße auszurichten, ging er zurück zum Wagen und strich sich ein paar Hundehaare von der Hose. Vor einem Zeitungsladen bat ihn ein Mädchen mit geschorenem Kopf um einen Euro.
» Wozu denn?«
» Damit du mit einem besseren Gefühl weitergehen kannst«, sagte das Mädchen, das er auf elf oder zwölf schätzte.
» Das hätte ich nur, wenn ich wüsste, dass du dir was Ordentliches davon kaufst.« Er ging in den Laden, um sich ein Eis zu kaufen.
Das Mädchen rief von draußen: » Im Orient ist es eine der heiligsten Verpflichtungen, Bakschisch zu geben.«
Sternenberg grinste den Verkäufer an, einen untersetzten schlecht rasierten Mann, dessen Augenringe so schwarz waren, als hätte er sich geschminkt. Er grinste auch nicht. Schnaufend schob er die Eistruhe auf und wühlte in den Pappkisten herum. » Welches wollten Se noch mal?«
Sternenberg zeigte auf die Abbildung des Orangeneises.
» Is’ aus. Oder nee, hier.« Er legte es vor sich auf die Truhe, schloss sie und quetschte sich mit dem Eis durch die Zeitungsständer.
Sternenberg zahlte und überflog Zeitschriften und Zeitungen, um zu sehen, ob es sich lohnte. Neben einem Lottoplakat hing ein Flachbildschirm, auf dem – nach Lottowerbung – Stadtnachrichten liefen. Für einen Moment dachte er, das Foto sei ein persönlicher Gruß, denn er kannte die Frau auf dem grobkörnigen Bild. » SIE ZÜNDETE 100 MENSCHEN AN«, stand da. Der Text blendete fort, ein neuer kam hinzu: » Julia Grau (20) gesteht Brandanschläge von Berlin. Staatsanwaltschaft fordert Höchststrafe 15 Jahre Haft.« Es folgte Lottowerbung.
» Von wann ist das?«, fragte er den Verkäufer.
Der wandte seine Massen um die eigene Achse, sah zum Bildschirm hinauf. » Was meinen Se’n?«
» Da waren eben Nachrichten. Von wann sind die?«
» Na, von jetzt! Das haben die vor einem Monat angebracht. Kost’ ’ne Stange Geld. Das ist live, sozusagen. Wie Fernsehen in der U-Bahn. Dolle Sache, hm? He, warten Sie, Sie kriegen noch Restgeld.«
» Geben Sie’s dem Mädchen.«
» Ich füttere mir doch keine Ratten heran!«
19
» Ich weiß nicht, ob Beatrix das recht ist«, ächzte Dodorovic, der den Fernseher aus ihrem Amtszimmer in das Durchgangszimmer mit dem niedrigen Tisch brachte, das ihnen als Besprechungsraum diente.
» Du hättest uns in ihrem Büro tagen lassen können, Dodo«, sagte Sternenberg und hielt das Kabel wie eine Brautjungfer den Schleier.
» Das geht nun gar nicht«, japste Dodorovic und stellte das Gerät ab. » Ihr wollt rauchen und rumlümmeln und wahrscheinlich wieder Bestellpizza fressen bis in die Puppen, und ich muss bleiben und kriege das bis morgen früh nicht sauber.«
» Bestellpizza?«, fragte Tarek. » Was kennst du bloß für eigentümliche Worte, Dodo. Wo du es gerade erwähnst: Ich habe noch nichts gegessen. Hast du eine Karte da, dann könntest du uns was bestellen.«
» Ich bestelle keine Pizza! Das Zeug ist ungesund und hochgradig unkultiviert. Jedenfalls so, wie ihr sie zu essen pflegt. Es gibt einen sehr guten vegetarischen Sandwich-Service und eine zufriedenstellende Sushi-Bar …«
Tarek nahm Kai Sternenberg das Kabel aus der Hand und steckte es in die Antennenbuchse. Strahlend drehte er sich zu Dodorovic um: » Das ist ja viel besser. Also, bestell uns allen was.«
» Die Karte finde ich nicht so schnell.«
» Du kennst uns«, sagte Tarek. » Dazu zwei Flaschen Rotwein, schließlich kommt Wolfgang.«
» Das ist keine Party«, sagte Sternenberg. » Schaffen wir die Tagesschau noch?«
» Wohl kaum«, sagte Tarek. » Schalt die Nachrichtenkanäle durch!«
» Also Sushi oder vegetarische Sandwiches?«, wollte Dodorovic wissen und leerte einen Aschenbecher.
» Sushi!«, rief Isabel, die mit Papierstapeln ins Zimmer kam.
» Der Chef gibt einen aus«, sagte Tarek.
Sternenberg schwieg, Dodorovic erkundigte sich, ob Sushi die beste Wahl sei. Schließlich käme Herr Lichtenberg dazu. Tarek erklärte, die Dame habe die Wahl getroffen, und Wolfgang Lichtenberg hätte ohnehin einen Kulturschock nötig.
» Können wir anfangen?« Sternenberg wartete, bis Isabel sich neben ihn gesetzt hatte und Dodorovic unsicheren Schritts gegangen war. Tarek schüttelte den Kopf und meinte, da laufe noch nichts.
» Isabel, was hast du rausgefunden?«
» Die erste Meldung, die ich im Internet gesehen habe, stammt von 17.57 Uhr. Wann warst du im Zeitungsladen?«
» Gegen halb sieben, glaube ich.«
» Das passt. – Die Staatsanwaltschaft schweigt, sie
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