Flammenopfer
er so brutal vorgeht, hat er keine stichhaltigen Beweise. Das ist offensichtlich.«
» Das ist mir zu dünn«, sagte Sternenberg.
» Chef – ich habe meine Quellen. Er hat nichts.«
» Bis auf ein paar Zeichen.«
» Was für Zeichen?«
Sternenberg nahm eines von Isabels Papieren und skizzierte darauf die beiden ineinanderstehenden Kreise mit den Buchstaben VERM und schob es den anderen hin. » Das hier ist ungefähr so groß wie ein Eurostück. Der untere Teil fehlt.«
» Ein Vermessungspunkt. Was ist damit?« Tarek kratzte sich an der Stirn.
» Vermessungspunkt?«, fragte Sternenberg. » Sicher?«
Tarek und Isabel nickten.
» Das ist ja unglaublich«, sagte Sternenberg. » Dann kann ich euch sagen, was Tobias Traube an den Brandstätten sucht: Vermessungspunkte. Meiner Quelle zufolge hat er Skizzen dieser Dinge bei sich zu Hause liegen. Wir müssen das nachprüfen. Tarek?«
» Ja, kann ich machen. Ich verstehe noch nicht, wo er diese Vermessungspunkte finden soll. Wir haben gesehen, dass Traube in die abgebrannten Penthäuser geht und im Schutt sucht. Vermessungspunkte sind aber unten auf der Straße.«
» Stimmt das?«, fragte Sternenberg in die Runde und kam wieder zu Tarek zurück.
Tarek nickte. » Die Dinger werden vom Staat angebracht. Vielleicht ist das inzwischen privatisiert, weiß ich nicht, jedenfalls werden damit die Straßenzüge vermessen, damit Wasserleitungen und Glasfasern richtig gelegt werden können und damit die Laternen hübsch in einer Reihe stehen. Auf Bahnhöfen gibt es sie auch. Ich aber glaube nicht, dass ein Geometer aufs Dach steigt. Jedenfalls nicht auf Privatgebäude. Da gibt es höchstens diese Marken an den Schornsteinen.«
» Marken?«, fragte Isabel.
» An den Schornsteinen steht, ob es sich um Gasheizungen handelt, es sind Hinweise für die Schornsteinfeger. Meistens dreieckige, weiße Schildchen, kaum größer als die Geometerpunkte«, sagte Tarek.
» Moment mal«, unterbrach Sternenberg. » Geometer heißen die. Wir wissen, dass sich Traube Bücher über Messungen und Geometrie besorgt hat. Es ging ihm vielleicht nie um klassische Geometrie, sondern um Vermessung.« Er machte eine Kunstpause. » Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg.«
Wolfgang Lichtenberg zog erneut die Zigarettenschachtel aus der Hemdtasche. Er sortierte die Zigaretten, ohne eine von ihnen herauszunehmen. » Woher stammt dieser Punkt, den du uns da aufgemalt hast, Kai?«
» Ja, da stand tatsächlich neben der Skizze: Feuerwache Oderberger.«
Lichtenberg lehnte sich zurück und konzentrierte sich auf seine Zigaretten. Sternenberg hatte den Eindruck, er ziehe sich zurück wie ein Staatsanwalt, der vor Gericht sagt: » Keine weiteren Fragen« – weil der Fall für ihn klar ist.
» Feuerwache?«, wiederholte Isabel. » In der Feuerwache Oderberger Straße hat es nicht gebrannt … Es war eine Skizze von Traube? Das wissen wir doch nicht hundertprozentig. Haben wir etwas davon, wenn wir wissen, wo genau dieser Punkt sich bei der Wache befindet?«
Tarek sagte, er könne morgen hinfahren. Sternenberg erklärte, das werde er selbst erledigen, weil er in der Ecke wohne. Tarek machte sich lustig, weil er diesen Spruch von seinem Vorgesetzten in den vergangenen Tagen schon mehrfach gehört hatte. Vielleicht sei das nicht zufällig, meinte Tarek feixend, dass alles in Sternenbergs Nähe stattfinde.
» Vielleicht«, warf Isabel ein, » vielleicht will uns der Täter auf eine Spur bringen. Ein Serientäter, der Markierungen hinterlässt. Wenn eine davon bei der Feuerwache ist, soll uns das womöglich auf die Fährte bringen.«
Sternenberg stand auf und ging in dem Raum auf und ab. » Wir reden immer vom Täter. Aber wir sehen alles nur durch die Brille von Dr. Traube. Er hat diese Markierungen angeblich aufgestöbert. Mag sein, dass er auf dem richtigen Weg ist. Mag sein, dass er völlig danebenliegt. Für die erfolglose Variante spricht, dass er bis jetzt kein Ergebnis vorzuweisen hat. Selbst nach dem Geständnis von Julia Grau haben wir keine Info, was er gegen sie in der Hand hat.« Er biss sich auf die Unterlippe. » Das ist paradox. Wir sitzen hier und rätseln, anstatt den verantwortlichen Polizisten zu befragen. Warum können wir das nicht?«
» Weil wir damit Beatrix’ Wahl gefährden«, sagte Isabel.
» Nein«, sagte Sternenberg. » Weil wir ihn verdächtigen, selbst der Täter zu sein. Er ist es, der die Brandstätten aufsucht und verschweigt, was er da sieht. Er ist es, der die
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