Flammenopfer
Vermessungsdienst, oder was?«
» Gerhard, sei mal ruhig. Also, wie war die Frage?«
» Er will wissen, ob sein Kollege hier ist.«
» Kenn ich doch nicht. Ich kenn ihn ja auch nicht.«
» Kannste jetzt mal die vier aufmachen?«
» Ich kann jetzt nicht. Wieso überhaupt die vier?«
» Wir blockieren die Straße.«
Einer aus der Meute beugte sich zu Sternenberg vor und machte die Miene eines Generals. » Nein, hier war noch niemand mit einer derartigen Frage.«
» Danke.«
Draußen rollte ein Leiterwagen rückwärts auf eines der geöffneten Tore zu. Sternenberg hegte Zweifel, ob der breite Wagen hineinpassen würde, aber das war mit Sicherheit schon tausendmal durchexerziert worden.
Er sah sich um – und stand beinahe auf der Granitplatte, in deren Mitte ein metallener Vermessungspunkt eingefräst war. Er kniete sich hin. Es stimmte mit der Pauszeichnung Traubes überein. Ein äußerer Kreis, ein innerer Kreis, oben die Buchstaben » VERM«, darunter » PUNKT«.
Er stand auf und winkte den Feuerwehrmännern zu, die aus dem Wachraum herausschauten. Im Hintergrund lief der Fernseher. Sternenberg sah die Oderberger Straße hinauf und hinunter. Was wollte Traube mit diesem Punkt, fragte er sich.
Aus der Tasche suchte er die Adresse Peter van Tannens in der Nähe des Kollwitzplatzes, eine Viertelstunde zu Fuß. Höchstens. Das Tor der Feuerwache wurde geschlossen.
21
Sternenberg schob ein kunstvoll geschmiedetes altes Eisengitter beiseite, um den Fahrstuhl zu betreten, dessen Wände wohl erst seit Kurzem aus Glas waren.
Zuvor hatte er Peter van Tannen angerufen und war überrascht über die Stimme, die er sich höher und dünner vorgestellt hatte. Der Architekt klang sonor, und er lud Sternenberg sofort zu sich ein, als der ihm den unbeholfenen Polizeibeamten vorspielte, der Probleme hat, die Distanz zu wahren.
Er, Sternenberg, habe einige Quadratmeter in Hamburg geerbt, ein schmales Grundstück, und es sei der ausdrückliche, ja testamentarisch verfügte Wille des Vaters, das Gelände repräsentativ zu bebauen. Zweckgebundenes Kapital sei vorhanden. Aber er habe keine Vorstellung, mit welchen Kosten man rechnen müsse. Da er nicht vorhabe, sich den geldinteressierten Ratgebern unter den zu beauftragenden Architekten und Notaren auszuliefern, benötige er einen neutralen Tipp. Ihm täte es leid, er wolle um Gottes willen nicht aufdringlich sein, und er könne sich vorstellen, dass er, van Tannen, ein beschäftigter Architekt, genervt sei, und er könne es ihm nicht verübeln, wenn er sofort auflege.
Auf diese Weise milde gestimmt, hatte van Tannen sich erkundigt, was ausgerechnet ihm die Ehre verschaffe.
Er habe getan, was nicht statthaft sei, nämlich die Telefonnummer in den polizeilichen Akten des damaligen Ermittlungsverfahrens gegen van Tannen gefunden. Er kenne sonst keinen Architekten. Einen Anwalt, ja, einen Arzt auch, sogar einen Chirurgen gäbe es in der Familie – und so hatte er zum Faseln angesetzt. Van Tannen hatte einige amüsierte Minuten lang geschwiegen und schließlich Sternenberg angeboten, sogleich bei ihm vorbeizukommen. Später habe er noch einen Termin, aber jetzt passe es ihm ausgezeichnet.
Peter van Tannen war ein großer, fast noch athletischer Mann mit kurzen grauen, nach vorn gekämmten Haaren und dunklen, wachen Augen. Er war ganz in Schwarz gekleidet, wie ein Tänzer. Oder ein Architekt. Sein Handschlag zog Sternenberg in die Wohnung.
Dessen Blick fiel auf unverputzte Säulen. Aus der Dachgeschosswohnung hatte van Tannen durch Entfernen der Wände ein Loft gemacht. Der Fußboden wirkte wie weißer Lack, Sternenberg konnte das Material nicht benennen. Das mittlere von sieben Kindern, dachte er, das mittlere. Warum fällt mir das jetzt ein?
» Bitte, kommen Sie. Was darf ich Ihnen anbieten, Herr … Ihren Namen erinnere ich nicht …«
» Sternenberg. Wenn Sie Wasser hätten? Es ist besonders heiß heute. Aber bei Ihnen ist es angenehm kühl. Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie derart überfalle.«
Van Tannen deutete ein päpstliches Lächeln an und wandte sich ab, um Wasser zu holen.
Sternenberg sah sich um. Wo die Wände an die Decke stießen, waren kurze, gemauerte Giebelträger angedeutet. Dachschrägen, die es nicht gab. In Verbindung mit den Säulen hatten sie den Effekt, dass der Raum, obgleich man die Decke sah, höher zu sein schien.
Es gab eine Ost- und eine West-Fensterfront. Auf der Südseite hingen antike Stadtpläne – Kupferstiche oder gute
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