Flammenopfer
Reproduktionen. Zwischen den Säulen standen Sockel mit einem Globus und mit alten Waffen: zwei aneinandergelehnte Säbel, eine kleine Lafette und sogar ein Stapel Kugeln.
» Sind das Kanonenkugeln?«, fragte Sternenberg und dankte für das Glas.
» Spanien. Im Militärmuseum von Santa Cruz behaupten sie, sie stammen aus der Schlacht von Trafalgar.«
» Sie glauben es nicht?«
» Wenn es stimmte, hätten die sie mir nicht verkauft. Aber bitte, wie kann ich Ihnen helfen? Sie brauchen einen Hinweis, wie teuer Ihr Haus werden könnte?«
» Es ist mir peinlich. Zumal ich meinem Kollegen, aus dessen Akte ich Ihre Telefonnummer habe, noch nicht einmal informiert habe.«
» Na ja«, sagte van Tannen, » er wird Ihren Kopf dranlassen, oder?«
» Dr. Traube ist ein netter Kollege«, sagte Sternenberg. » Natürlich achtet er auf die Form …«
Van Tannen zeigte auf den Namen Traubes keinerlei Reaktion.
» An welche Art Gebäude dachten Sie? Nach den Wünschen Ihres Vaters soll es … Mein Beileid übrigens.«
» Oh, ja, danke.«
» Ihr Vater hat sich einen Repräsentativbau gewünscht? Reden wir von einem Geschäfts- oder von einem Wohnhaus?«
» Ach«, sagte Sternenberg. » Stellen Sie sich vor – das weiß ich nicht. Ist das nicht komisch? Jetzt, wo Sie fragen … Darüber habe ich ganz versäumt nachzudenken. Hat er das überhaupt festgelegt? Ich muss das noch mal nachlesen. Herrje, das ist ja so stümperhaft von mir.«
» Na ja, das können Sie klären. Ich fürchte so oder so, zu einer konkreten Auskunft werde ich kaum im Stande sein. Finanziell hängt alles von Ihren Wünschen ab. Nach oben gibt es natürlich keine Grenze.«
» Ich verstehe.« Sternenberg gab sich niedergeschmettert.
» Ich schlage Ihnen Folgendes vor«, sagte Peter van Tannen. » Lassen Sie sich Entwürfe und Kostenvoranschläge ausarbeiten. Legen Sie sie mir vor. Ich gebe Ihnen ein neutrales Gutachten.«
» Das muss man natürlich bezahlen, nicht wahr?«
Van Tannen lachte. » Ehrlich gesagt: Es macht Arbeit. Wenn Sie Qualität wollen, müssen Sie ein paar Euro anlegen. Manchmal muss man investieren, um zu sparen.«
» Ach so, ja, verstehe. Ach je, wie peinlich. Natürlich, natürlich, ich bin ja auch eigentlich nicht geizig. Man ist nur so verunsichert, wenn man gänzlich von einer Sache überrumpelt wird, von der man überhaupt nichts versteht. Um das Bauen habe ich mich nie kümmern müssen. Sie haben, nebenbei gesagt, ein großartiges Domizil. Das haben Sie sicherlich selbst gestaltet?«
» Eine Art Visitenkarte«, sagte der Architekt. » Geschäftliche Investition. Es ist nicht das, wovon ich träume.«
» Nein? Es ist wundervoll. Soweit ich das beurteilen kann. Ich würde sofort tauschen.«
» Wundervoll ist etwas anderes, Herr Sternenberg. Wundervoll ist es, wenn sich Gebäude in das Stadtganze einfügen.«
Sternenberg strahlte – und mahnte sich, es nicht zu übertreiben. » Ja, harmonisch, nicht wahr? Ich habe mir Hamburg angesehen. Diese Gegend, in der das Haus meines Vaters gebaut werden soll. Das ist ein unglaubliches Durcheinander der Baustile. Nicht schön, wirklich nicht. Ich wüsste nicht, was sich da harmonisch einfügen ließe. Es sind die Kriegsfolgen. Ist das nicht ein Drama, so viele Jahrzehnte nach dem Krieg gibt es noch immer Baulücken, und das im reichen Deutschland.«
» Die Zerstörungen wären nicht das Schlimmste. Die Vorkriegsarchitektur ist teilweise schlimmer als die Lücken. Manchmal wäre Tabula rasa das Beste. Schauen Sie mal!« Er winkte Sternenberg zu den Kupferstichen an der Südwand.
Dort hingen zwei große runde Stadtgrundrisse mit vorgelagerten, zugespitzten Festungsanlagen. Das mittlere Bild zeigte ein Quadrat. Inmitten des Vierecks war ein inneres Quadrat freigelassen, mit Ausnahme eines Schlosses im Mittelpunkt. Um die Freiflächen herum war die Stadt dicht bebaut und streng geordnet.
» Das erinnert mich an die Börse in Hongkong«, sagte Sternenberg. » Kennen Sie sie? Die Leute müssen gedrängt am Rand arbeiten, Zentimeter auf Zentimeter, Tausende. Nur in der Mitte ist eine große, freie rote Fläche. Das ist Feng-Shui, damit sich der Drache ruhig in der Mitte niederlässt und die Geschäfte nicht stört. Oder so ähnlich. Und das im 21. Jahrhundert!«
» Hm. Das hier ist von 1527. Ein Stadtentwurf, völlig durchgeplant. Sehen Sie, die Gusshütten sind ganz in die Ecke verbannt, sodass der Wind die giftigen Dämpfe aus der Stadt herausblasen würde. Umweltschutz im 16.
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