Flammentod
lassen wollte. Sie glauben nicht, wie er Andra terrorisiert hat. Er lauerte ihr auf, bedrohte sie, rief sie mitten in der Nacht an. Sie war völlig mit den Nerven runter. Nur in meinen Laden hat er sich nicht getraut. Da fand Andra ein bißchen Schutz. Als er am Sonntagabend kommen wollte, bekam sie große Angst, allein in der Wohnung zu sein. Natürlich hätte sie ihn nicht hereingelassen. Aber ihm war zuzutrauen, die Tür einzuschlagen.«
»Und das nur, um seine Frau nicht zu verlieren? Liebte er sie denn so sehr?«
Sie lachte kurz auf. »Damit hatte das nichts zu tun. Ihm ging es nur ums Geld. Grundstück samt Haus hatte Andra in die Ehe gebracht. Nach der Scheidung hätte sie es sofort verkauft; sie wollte es nie wieder betreten. Als er Sonntagmittag anrief und ankündigte, daß er kommen würde, wirkte er wie ein Sieger. Das hat Andra mir zumindest erzählt. Er hatte etwas gegen sie in der Hand. Das heißt gegen Gerd. Er wollte sie erpressen.«
»Und was war das? Hätte er publik gemacht, daß sein Sohn transsexuell ist?«
»So war es nicht. Wir warteten also auf Achim. Er kam aber nicht. Um zehn war er immer noch nicht da. Wir waren natürlich sehr erleichtert. Statt dessen jedoch kam Katharina nach Hause.«
»Gerd als Frau verkleidet.«
»Katharina«, beharrte sie. »Es war leicht zu spüren, daß etwas mit ihr nicht stimmte. Aber sie wollte es nicht sagen. Meine Anwesenheit war wohl irritierend. Sie wollte mit ihrer Mutter allein sein.«
»So sind Sie gegangen, haben aber trotzdem mitbekommen, was passiert ist.«
Sie nickte. »Ich konnte es zuerst nicht glauben. Also bin ich in den Wald gefahren, um nachzusehen.«
»Und Sie haben Achim Diepeschrath gefunden.«
»Ich bin mit einer Taschenlampe in den Wald, und da lag er. Er war nur bewußtlos; Katharina hatte ihn gar nicht erwürgt. Und die Verbrennung war eine Ausgeburt ihrer Phantasie. Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Ich beugte mich hinunter. Und da kam er plötzlich zu sich - vielleicht durch den Schein der Taschenlampe. Ich war wie erstarrt vor Schreck. Er packte mich brutal und brach mir dabei fast das Genick. Ich glaube, er hat mich gar nicht erkannt. Ich wehrte mich, so gut ich konnte, er ließ aber nicht locker, und so schlug ich ihm die Lampe über den Kopf. Er sackte zusammen, und ich war der festen Überzeugung, ich hätte ihn erschlagen.«
»Mit einer Taschenlampe?«
»Es war eine schwere Stablampe.«
Sie zog die Beine an und umschlang sie mit den Armen. »Plötzlich war es totenstill im Wald. Die Lampe war kaputt, und so war es auch stockdunkel. Ich habe lange dagesessen. Zum ersten Mal ist mir klargeworden, an welchem Ort ich mich befand. Der Verkehr war an dem späten Abend nicht mehr so stark, und langsam wurden mir die Geräusche der Natur bewußt. Seit Jahrhunderten rauscht dort der Wald, und in den Bäumen, Gräsern und Büschen lebt der Geist der Ereignisse, die sich dort einmal abgespielt haben.«
Mittlerweile war das Sonnenlicht so stark geworden, daß der Himmel aus gleißendem Licht bestand. Ich mußte die Augen zusammenkneifen, weil es mich blendete. Morgana schien es nichts auszumachen.
»Irgendwann hatte ich das Gefühl, völlig mit der Natur zu verschmelzen, eins zu werden mit allem, was dort war. Alles verschwamm. Das Zeitgefühl verschwand. Ich weiß nicht, wie lange ich dort saß. Ich erinnere mich nur noch, daß ich irgendwann vor seinem Wagen stand, den Kanister aus dem Kofferraum holte und in den Wald brachte.«
»Und da haben Sie es zu Ende gebracht.«
»Ich wußte, daß es richtig war. Wäre dieser Mann wieder zum Bewußtsein gekommen, wäre er zu Andra gefahren und hätte das bißchen Freiheit, das sie mit Katharina auf gebaut hatte, zerstört.«
»Was hatte er denn gegen die beiden in der Hand?«
»Er hat herausgefunden, daß Katharina Drogen nahm. Amphetamine. Sie besorgte sich das Zeug in Köln und hortete es zu Hause. Der Besitz ist natürlich strafbar.«
»Hat Katharina deswegen die Verbrennung phantasiert? Weil sie unter Drogen stand?«
»Vielleicht. Diese Droge steigert das Selbstbewußtsein und gleichzeitig die Instinkte.«
»Jetzt werden Sie sich für den Mord verantworten müssen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Die kriegen mich nicht.«
»Was wollen Sie machen? Auf einem Besen davonfliegen?«
Sie sagte nichts.
»Wo haben Sie das Geld von Angelika versteckt?« wollte ich wissen.
Sie zog von irgendwo unter ihrem Gewand einen braunen Umschlag hervor.
Ich griff danach. Er war dick
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