Flammenzungen
zur Verbindungstür und hob die Hand, um anzuklopfen. Just in diesem Augenblick schwang die Tür auf. Nur einen Schritt entfernt stand Lorcan. Er hatte seine Wangen glatt rasiert und den Bart um seinen Mund herum gestutzt. Seine hellbraunen Haare waren zwar immer noch zu lang, um als Frisur durchzugehen, doch sie standen nicht mehr wild ab, sondern schmiegten sich feucht an seinen Kopf.
Er trug nichts außer einem Handtuch, das um seine Taille geschlungen war. Der Knoten war so nachlässig gebunden, dass er aussah, als könnte er sich jeden Moment lösen.
4. KAPITEL
Oktober, ein Jahr zuvor
New Orleans, Buckley MacConmara
Lorcan vernahm ihr Lachen im Korridor, und sein Herz hüpfte augenblicklich vor Freude. Bewegungslos blieb er sitzen. Seine Fingerspitzen ruhten auf der Tastatur, und er schaute weiterhin auf den Computermonitor. Für jemanden, der zufällig an seinem Büro vorbeikam, hätte es den Anschein, als würde er lesen, was er soeben getippt hatte, aber in Wahrheit lauschte er den Geräuschen auf dem Flur.
Stimmen. Zwei Männer unterhielten sich. Mit ihr.
Seine Füße kribbelten; sie wollten zu ihr gehen, nein, am liebsten würden sie zu ihr laufen, um sie zu begrüßen. Seine Augen begehrten, sie zu betrachten, seine Hände, sie zu streicheln, und seine Lippen, sie zu küssen. Statt seinem Verlangen nachzugeben, saß er weiterhin wie versteinert an seinem Schreibtisch. Noch behielt sein Verstand die Oberhand. Es war besser, ihr nicht zu begegnen. Besser für alle Beteiligten.
Seine Ohren wurden immer größer und sein Herz immer schwerer. Er ballte eine Hand zur Faust und streckte die Finger wieder.
Am Ende gewann die Anziehungskraft. Er schob seinen Stuhl zurück und sprang auf. Bis zur Tür ging er schnell, doch kaum trat er in den Korridor, schlenderte er gelassen weiter. Ein Arbeitskollege eilte an ihm vorbei zurück an seinen Arbeitsplatz. Er musste mit ihr geplaudert haben.
Lorcan schaute in die Richtung, aus der er gekommen war, und versuchte, überrascht zu wirken. „Kimora.“
Wie gut sie aussah! Sie hatte die vorderen Strähnen ihrer hüftlangen weizenblonden Locken leger im Nacken zusammengebunden. Ihr geblümtes Kleid schmiegte sich eng an ihre Figur, und Lorcan wünschte sich, dieser Satinstoff zu sein. Passend zum Muster trug sie orangeroten Lippenstift und gelben Lidschatten. Extravagant, aber so waren Künstler eben. Ein safranfarbenes Tuch lag um ihre Schultern.
Flüchtig nahm sie ihn zur Begrüßung in den Arm. Ihre Handflächen waren so kalt, dass er es durch den Stoff seines langärmeligen Businesshemdes spürte. Ständig verlagerte sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Schmerzten die High-Heels mit Korkabsatz, oder war sie aufgeregt, weil sie ihn traf? Machte er sie nervös? Der Gedanke gefiel ihm.
„Wie ich sehe, warst du beim Friseur. Die kurzen Haare stehen dir gut“, plauderte sie locker, doch ihm entging nicht, dass sie ihre schwarze Lackhandtasche knetete. „Auf dem Lafayette Square vor zwei Wochen waren sie noch länger.“ „Mir wären die paar Zentimeter nicht auf gefallen.“ Gavin baute sich neben ihr auf, und Lorcan fragte sich, ob er damit demonstrieren wollte, dass sie zu ihm gehörte. „Du musst ihn auf dem Open-Air-Festival aufmerksam betrachtet haben.“
„So sind Frauen eben“, spielte Lorcan die Bemerkung herunter. Sein Lachen klang selbst in seinen eigenen Ohren gekünstelt.
„Uns fallen Details auf, während Männer nur oberflächlich hinschauen.“ Sie legte die Hand auf ihr Dekolleté und verdeckte somit ihren Schmuck. „Welchen Anhänger trage ich heute? Ich wette, ihr könnt es mir beide nicht sagen.“ Lorcan betrachtete ihre schlanken Finger. Sie konnten unglaublich zärtlich sein, aber auch erstaunlich fest zupacken, wenn es darauf ankam. Das durfte er gar nicht wissen, aber er tat es nun mal. Er mochte, dass Kimora ihre Nägel kurz gefeilt hatte und keinen Lack benutzte. Künstliche Fingernägel, Brustimplantate und Haarextensions - dieser falsche Schein gefiel ihm ganz und gar nicht, er bevorzugte Natürlichkeit.
„Du siehst so atemberaubend aus, dass ich darauf nicht geachtet habe.“ Unablässig drehte Gavin einen seiner Manschettenknöpfe. Flecken erschienen auf seinen blassen Wangen. Sie hatten fast dasselbe Rot wie sein kupferfarbener Schopf. Das Rotblond stand ihm gut, fand Lorcan, es war das einzig Interessante an ihm. Seine Sommersprossen verliehen ihm etwas Schalkhaftes. Aber war das für einen Mann mit
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