Flandry 4: Ehrenwerte Feinde
Verbündete nicht nur unter ihren Feinden, sondern auch unter ihren Untertanen suchen. Vor allem aber arbeiten die Laster der Terraner gegen das Imperium und für uns und unser Ziel.«
Er beugte sich vor. »Jawohl, das wird den Ausschlag geben«, erklärte Cerdic. »Wir haben, was ihr verloren habt: die Ehrenhaftigkeit. Die Scothani sind ein Volk von ehrenhaften Kriegern.«
»Ohne Zweifel, Sir«, sagte Flandry.
»Oh, natürlich haben auch wir unsere üblen Charaktere, aber sie sind selten, und der Brauch des Duells hält ihre Zahl gering. Und selbst ihre Schlechtigkeit hat etwas Offenes, Sauberes an sich – sie besteht in Gesetzlosigkeit, Habgier oder dergleichen. Doch der Großteil aller Scothani lebt nach unserem Ehrenkodex. Einem echten Mann käme es nicht in den Sinn, etwas Unehrenhaftes zu tun, einen Eid zu brechen, einen Kameraden im Stich zu lassen oder falsch zu schwören. Unsere Frauen brennen uns nicht durch und machen nicht jedem Mann schöne Augen, der ihnen über den Weg läuft; nein, sie werden, wie es sich gehört, im Haus gehalten, bis sie heiraten, und dann kennen sie ihre Pflichten als Mütter und Hüterinnen des Hauses. Unsere Jugend wird zum Respekt vor den Göttern und dem König erzogen, zum Kampf und zur Wahrheitsliebe. Tod bedeutet uns nicht viel, Flandry, denn jedem schlägt irgendwann die Stunde, aber Ehre lebt ewig.
Und deshalb werden wir gewinnen.«
Schlachtschiffe braucht man dazu auch, dachte Flandry. Und als er in die kalten, hellen Augen blickte: Er ist ein Fanatiker, aber ein verdammt kluger Kopf. Diese Mischung ist stets besonders schädlich für das Universum.
Er fragte: »Verzeihen Sie, Sir, ich versuche nur zu verstehen. Wäre nicht jede Kriegslist eine Lüge, Sir? Ihre verdeckten Reisen durch das Imperium …«
»Man stürmt nicht blindlings vor, wo es nicht nötig ist«, erwiderte der Prinz. »Und man ist Fremdrassen gegenüber in keiner Weise gebunden. Sie sind nicht von unserem Blut.«
Da haben wir also auch den guten alten Komplex der rassischen Überlegenheit. Sehr schön.
»Ich will dir eines sagen«, fuhr Cerdic ernst fort, »weil in dir vielleicht ein Hauch von Gewissen übrig ist, dass es dir unangenehm macht, uns zu dienen. Überdenke, was du gehört hast; erkenne, wem Gerechtigkeit innewohnt, und trete freudig in ihr Haus, das heute auf Scotha steht. Du könntest noch immer etwas erreichen mit deinem bislang verschwendeten Leben … Aber jetzt melde dich bei Kraz … bei Lieutenant Eril, und geh wieder an deine Arbeit.«
»Jawohl, Sir«, erwiderte Flandry und fügte salbungsvoll hinzu: »Ich danke Ihnen für Ihre Geduld, Mylord.«
»Geh«, herrschte Cerdic ihn an.
Und Flandry ging.
Mit einer annehmbaren Marsch-Pseudogeschwindigkeit brauchte die Flottille gute drei Wochen bis Scotha. Flandry benötigte zwei davon, um brauchbare Grundkenntnisse der Sprache zu erwerben. Elektronische Lernmittel und unterstützende Pharmazeutika standen ihm nicht zur Verfügung, doch er besaß eine Sprachbegabung, die er durch jahrelange Studien und Praxis erlangt hatte; und wenn er wollte, konnte er sehr hart arbeiten.
Nach außen hin simulierte er langsame Fortschritte trotz bester Bemühungen. Oft bat er, langsamer zu reden, sonst verliere er den Faden. Man schnappte sehr viele wenngleich unzusammenhängende Informationen auf, wenn die Umgebung glaubte, man könnte nicht verstehen, was gesprochen wurde. Zwar hörte Flandry selbstverständlich wenig von militärischem Gewicht, aber er erfuhr viele interessante Einzelheiten über Organisation, Ausrüstung, Operationen und dergleichen – dazu allgemeines Hintergrundwissen, Informationen über persönliche Anschauungen und Überzeugungen sowie biografische Details. All das wanderte in das effektive Ablagesystem in Flandrys Schädel, um dort mit allem anderen, was er erfuhr, korreliert zu werden.
Die scothanische Besatzung behandelte ihn freundlich. Die Leute hörten gern von der sagenhaften Zivilisation und brüsteten sich mit ihrer eigenen wunderbaren Vergangenheit und den Großtaten der Zukunft. Flandry stimmte in ihre unzüchtigen Lieder und schmutzigen Witze ein, nahm an Ringkämpfen teil und erwarb sich einiges an Respekt. Zu einigen Kriegern, die Schwierigkeiten hatten, konnte er sogar ein vertrauliches Verhältnis aufbauen.
Scothani waren spielsüchtig. Flandry erlernte ihre und lehrte sie einige seiner Glücksspiele, und ehe die Reise zu Ende ging, hatte er eine ganz brauchbare Garderobe zusammengewonnen, dazu
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