Flandry 4: Ehrenwerte Feinde
kniff die Augen zu. Er schwankte, wo er stand, sodass Bourtai ihn in die Arme schloss und rief: »Was hast du, Teurer?«
»Brandy«, wisperte Flandry. »Tabak. Indischen Tee. Shrimpsmayonnaise, dazu eine Flasche grauen Riesling. Heizung …« Er riss sich zusammen. »Entschuldige. Meine Gedanken sind abgeschweift.«
Flandry bemerkte kaum das Beben ihrer Unterlippe. Arghun schon. Er sah den Terraner trotzig an und nahm die Hand des Mädchens. Wie ein verlorenes Kind klammerte sie sich daran fest.
Diesmal registrierte Flandry etwas. Zuckend hoben sich seine Mundwinkel. »Seid gesegnet, meine Kinder«, murmelte er.
»Was?«, fuhr Arghun ihn in einer Empörung an, die halb aus Verwirrung bestand.
»Wenn Sie erst mal so alt und abgenutzt sind wie ich«, sagte Flandry, »werden Sie feststellen, dass niemand an gebrochenem Herzen stirbt. Vielmehr heilt es mit widerlicher Geschwindigkeit. Wenn ihr euren Erstgeborenen Dominic nennen wollt, dann schicke ich euch gern einen silbernen Löffel, angemessen graviert.«
»Aber …«, stammelte Bourtai. »Aber …« Sie gab es auf und packte Arghuns Hand noch fester.
Dem Noyon brannte das Gesicht. Hastig fragte er, um auf ein unpersönliches Thema zu kommen: »Wollen Sie jetzt Ihren Plan erklären, Terraner?«
»Hm?« Flandry blinzelte. »Oh. O ja. Sicher.«
Er setzte sich in Bewegung. Die beiden anderen hielten an dem schmalen blauen Geistersee unter einem Filigranmuster aus eisigen Blättern mit ihm Schritt. Der rote Halbtag ging auf den Abend zu. Flandry sagte mit frischer Belustigung in der Stimme:
»Unser Problem war es, eine Geheimnachricht zu senden. Die geheimstmögliche wäre natürlich eine Nachricht gewesen, die niemand als solche erkennt. Zum Beispiel die Aufschrift ›Mayday‹ auf dem Turm des Propheten. Es sah aus wie Quatsch, wie purer, aus Trotz verübter Unfug … aber die ganze Stadt konnte es sehen. Die Leute sprachen davon. Und wie sie davon sprachen! Selbst wenn in dem Moment keine Beteigeuzer in Ulan Baligh gewesen wäre, die nächsten, die eingetroffen wären, hätten von dieser Sensation gehört, egal, wie streng man sie bewacht. Und die Beteigeuzer hätten die Geschichte wiederum mit nach Hause gebracht – wo die Terraner in der Botschaft davon gehört hätten. Und die Terraner hätten sie verstanden!
Sehen Sie, Mayday ist auf meinem Planeten ein sehr alter Coderuf. Er bedeutet einfach: Hilf mir!«
»Oh!«, rief Bourtai.
»Oh-ho!«, machte Arghun. Er klatschte sich auf den Schenkel und stieß lachend hervor: »Ja, jetzt begreife ich! Danke, Freund, für einen Scherz, den ich noch meinen Enkeln erzählen werde!«
»Ein Klassiker«, stimmte ihm Flandry mit seiner üblichen Bescheidenheit zu. »Mein Korps hätte daher auf jeden Fall ein Schiff entsandt, um sich die Sache einmal näher anzusehen. Ob die Besatzung nun wenig oder nichts wusste, sie wäre aufmerksam und vorsichtig gewesen. Olegs Geschichte von meinem tödlichen Unfall – oder was er ihnen sonst erzählt haben mag – wäre im Lichte dieser ersten Nachricht offensichtlich Blödsinn gewesen; ich dachte mir aber, dass die Leute den Mund halten und so tun würden, als wären sie ihm auf den Leim gegangen, bis sie mehr erfahren konnten. Das nächste Problem war nun, wie wir sie über die Lage informieren sollten – ohne dass Oleg es merkt.
Natürlich könnt ihr euch denken, wie es getan würde: indem wir das gesamte Schamanat von Tebtengri über die Ebene manövrierten, sodass es terranische Buchstaben bildete, die man durch ein Teleskop sehen konnte. Die Nachricht konnte nur kurz und musste simpel sein; aber es hat gereicht.«
Flandry füllte sich die Lungen mit der kalten Luft. Trotz seiner Müdigkeit überwältigte ihn das großartige Gefühl, am Leben zu sein. Er grinste und fügte, halb an sich selbst gewandt, hinzu: »Es war vermutlich die erste Geheimnachricht aus Schriftzeichen, die zwischen ein- und fünfhundert Kilometer hoch sind.«
Originaltitel: A Message in Secret.
Erstveröffentlichung: Fantastic, December 1959, unter dem Titel Mayday Orbit.
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