Flandry 6: Schattenwelt
die sich durch die gemessenen Tanzschritte eines Quecksilbers schwangen. Flandry grüßte Bekannte, wenn er sie sah, blieb aber nicht stehen, bevor er eine Innenlaube erreicht hatte, in der es Champagner gab. Einen perlenden Kelch in der Hand, von Rosen umgeben und einer fröhlichen Melodie, einen Blick auf hübsche Frauen werfend – das Leben konnte schlimmer sein.
Schlimmer wurde es bald. »Mein’ Gruß, Sir Dominic.«
Flandry wandte sich um und verbeugte sich mit Bestürzung vor dem Neuankömmling unter den Blättern. »Aloha, Hoheit.«
Tetsuo Niccolini, der Herzog von Mars, ließ sich von dem Kellner hinter dem Tisch ein Glas reichen. Es war offensichtlich nicht sein erstes. »Hab Sie ’ne ganze Weile nicht mehr geseh’n«, bemerkte er. »Hab Sie vermisst. Sie versteh’n es, die Bude zu beleben, und heutzutage ist’s bei Hofe reichlich öd.« Verschmitzt fügte er hinzu: »Ist wohl der Grund, weshalb Sie nicht so oft kommen, was?«
»Nun«, gab Flandry zu, »Seiner Majestät Genossen neigen ein bisschen zum Ernst und zur Verbissenheit.« Er trank einen Schluck. »Trotzdem habe ich den Eindruck, verbringen Hoheit hier nicht wenig Zeit.«
Niccolini seufzte. Er war nie mehr gewesen als ein gutmütiger Geck; in den letzten Jahren, in denen ihn auch Antisenesenzien und Bioskulp nicht mehr vor Runzeln, Haarausfall und Schwäche bewahren konnten, hatte er eine gewisse ironische Sichtweise entwickelt. Ein Langweiler war er bedauerlicherweise geblieben.
Schatten von Blütenblättern strichen über seine pfauenfarbige Robe, als er das Glas hob. »Glau’m Sie auch, ich sollte auf mein’ angestammten Herr’nsitz gehen und diesen ganzen Unsinn links liegen lass’n, mein’ eignen klein’ Hof aufbau’n, wie ich es mag, was? Nein, mein Jung, gibt’s nicht. Es kämen ja doch nur Speichellecker, die mich lächelnd ausplündern wür’n. Meine echten Freunde, die das Leben noch zu genießen wussten, na, die sind tot oder gefloh’n oder schlafen in ’nem Altersheim.« Er hielt inne. »Na, ich kann’s Ihnen ruhig sagen. S.M. hat mir zu versteh’n gegeben – und er drückt sich ja wirklich klar aus, was? – er gab mir zu versteh’n, dass es ihm lieber wär’, wenn in Zukunft kein Herzog von Mars die Heimatwelt für mehr als ein angemess’nes Minimum von Ansprachen und Schiffstaufen besuchen würd’.«
Flandry nickte. Das leuchtet mir ein, schoss es ihm durch den Kopf. Die Marsianer [Nichtmenschen, die während des Commonwealth durch Verträge den Status von Kolonisten erhielten; sie waren froh, dazuzugehören, und fühlten sich betrogen, als es zusammenbrach und die Schwere Zeit kam; wurden ins Imperium gezwungen] sind immer noch unruhig. Terra kann sie am besten kontrollieren, indem es die Zeichen terranischer Kontrolle entfernt. Ich vermute, dass Hans, sobald der arme altersschwache Tetty nicht mehr ist, seine Erben mit einem wertlosen anderen Titel und viel Geld ausbezahlt und einen Marsianer zum nächsten Herzog macht – der vielleicht nicht einmal weiß, dass er nur eine Marionette ist. Wenigstens würde ich es wohl so machen. »Aber wir laufen schwer Gefahr, über ernste Dinge zu reden«, unterbrach sich Niccolini. »Wo sind Sie gewesen? Womit ha’m Sie sich beschäftigt? Kommen Sie, kommen Sie, irgendwas Amüsantes müssen Sie doch erlebt ha’m!«
»Ach, ich habe mich nur mit einem Freund herumgetrieben.« Flandry wollte nicht genauer werden. Die Beförderung zum Admiral hatte er bislang auch deswegen ausgeschlagen, weil er zu deutlich sichtbar gewesen wäre, zu argwöhnisch beäugt und gesucht, während er sich in der Nähe des Kaisers aufhielt. Er legte jedoch Wert auf seine Privatsphäre. Als Gefolgsmann ohne weiteren Ehrgeiz – der deshalb früher oder später das Wohlwollen seines Gönners einbüßen würde – zog er viel weniger Aufmerksamkeit auf sich.
»Oder herumgewälzt? He, he, he.« Der Herzog stieß ihn an. »Ihre Sorte Freunde kenne ich doch! Wie war sie?«
»Zuallererst mal war sie ein Er«, erwiderte Flandry. Bis er Gelegenheit zur Flucht erhielt, konnte er genauso gut auf einen Mann eingehen, der das Geheimnis entdeckt hatte, wie man fortwährend ein Heranwachsender blieb. »Natürlich haben wir uns umgesehen. Auf Ganymed haben wir ein neues Lokal gefunden, das Hoheit vielleicht interessieren könnte, das ›Kaiserin Wu‹ in Celestial City.«
»Nein, nein.« Niccolini schüttelte den Kopf und die freie Hand. »Wusst’n Sie das nicht. Ich geh nicht in die Nähe Jupiters.
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