Flandry 6: Schattenwelt
Stirn, die buschigen Brauen, die riesige Römernase, die schweren Hängebacken, den Schlitz von Mund zwischen tiefen Falten, den Schiffsschnabel von Kinn.
»Danke, Euer Majestät.« Flandry nahm elegant dem Kaiser gegenüber Platz, zog ein Zigarettenetui hervor, das für sich ein Kunstwerk war und, wenn es sein musste, eine Waffe, und errichtete eine Barriere gegen den Gestank ringsum.
»Keine törichten Formalitäten«, knurrte der rostige, akzentbeladene Bass. »Ich habe meinen großen Auftritt vor mir, und das hohle Geschwätz wird stundenlang anhalten. Wenn ich endlich gehen kann, bin ich wahrscheinlich viel zu müde für das hübsche Mädchen, das neu in der Sammlung ist, ganz egal, wie dringend ich ein wenig Spaß brauche.«
»Eine Stimutab?«, schlug Flandry vor.
»Nein. Ich nehme auch so schon zu viele davon. Der körperliche Preis addiert sich, wie Sie wissen. Und … kaum sechs Jahre sitze ich auf dem Thron. In den ersten drei kämpfte ich, um dort zu bleiben. Ich brauche noch zwanzig oder dreißig, bis ich aus diesem zusammengepfuschten, innerlich verfaulten Imperium etwas gezimmert habe, das vielleicht noch einige Generationen hält, ehe ich mein Werkzeug beiseitelegen kann.« Hans lachte rau. »Na, soll das Werkzeug für die schöne Thressa warten und sich bis morgen Abend aufladen. Sie sollten sie sehen, Dominic, mein Freund. Aber sagen Sie niemandem etwas. Sie könnte für sich schon zur Revolution führen.«
Flandry grinste. »Ja, wir Menschen sind im Grunde noch immer ganz sexuell ausgerichtet, oder, Sir? Wenn wir andere nicht körperlich flachlegen können, tun wir es politisch.«
Hans lachte laut. Er war stets der Junge geblieben, der einem sittenstrengen kolonialen Bürgerhaus entflohen war, um mehrere Jahre wilder Abenteuer im All zu erleben, der Jugendliche, der sich für die Navy verpflichtete, der Mann, der im Rang aufgestiegen war, ohne die Beziehungen oder die Flexibilität zu besitzen, die ihm den Weg erleichtert hätten.
Doch er war auch immer noch der Held von Syrax, wo die Flotte, die er geführt hatte, die Merseianer zurückschlug und am Verhandlungstisch den Abschluss eines unerklärten kurzen Krieges, welcher die besten Aussichten besessen hatte, sich auszuweiten, erzwang. Auch unterschied ihn nichts von dem Anführer, der sich von seinen Leuten widerstrebend zum Kaiser hatte erheben lassen, weniger aus Ruhmessucht als vielmehr aus einer Art Qualitätsbewusstsein heraus, als die legitime Erbfolge in Chaos fiel und jeder der rivalisierenden Thronanwärter eine potenzielle Katastrophe bedeutet hätte.
Ein raubeiniger Pragmatiker, unkultiviert, ohne sich dafür zu schämen, eher verschlagen als intelligent, verärgerte er Manuel Argos entweder, oder er gewann widerwillige Anerkennung, in welcher hypothetischen Hölle oder welchem Walhall der Reichsgründer nun auch weilte. Die Frage war akademisch. Jetzt war Hans’ Stunde. Wie lang diese Stunde andauerte und welche Folgen sie zeitigte, das waren zwei ganz andere Fragen.
Die Jovialität verließ den Kaiser. Er beugte sich vor. In haarigen Händen, auf den Knien gefaltet, qualmte die Pfeife. »Ich rede zu viel«, sagte er, ein merkwürdiges Geständnis vom wortkargsten aller Kaiser. Flandry begriff ihn jedoch sehr gut. Außer ihm waren nur wenige, vielleicht gar keiner übrig, mit denen Hans offen zu reden wagte. »Kommen wir zum Geschäft. Was wissen Sie über Dennitza?«
Innerlich erstaunt, erwiderte Flandry leise: »Nicht viel, Sir. Über den ganzen Taurischen Sektor weiß ich nicht viel, obwohl ich das Glück hatte, dort zu sein, als Lady Megan Hilfe benötigte. Wieso fragen Sie?«
Hans runzelte die Stirn. »Ich nehme an, Sie wissen, wie der Gospodar, mein Sektorengouverneur, sich meiner Reorganisation der Reichsverteidigung widersetzt. Es könnte sich natürlich einfach um eine abweichende Ansicht handeln. Aber … es liegen Hinweise vor, dass er den Aufstand plant. Und das würde – aufgrund seiner Position – unbedingt die Merseianer einbeziehen, wenn er nicht ohnehin schon in ihrem Sold steht.«
Flandrys Rückgrat kitzelte. »Was weiß man genau, Sir?«
»Ein erbärmlicher Planet im Sektor Arcturus. Diomedes heißt er. Einheimische, die sich vom Imperium lösen wollen und davon faseln, sich ythrianische Hilfe zu verschaffen. Unter ihnen sind menschliche Agenten. Wir würden erwarten, dass solche Menschen aus der Domäne stammen, am ehesten von Avalon – nicht wahr? Aber unsere verlässlichsten Befunde sagen aus,
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