Flandry 6: Schattenwelt
Gospodars ist – eine Tatsache, die aus dem Material hervorgeht, die mein Sohn offen einer Datenbank entnehmen konnte –, wäre es wert, dem Kaiser gegenüber erwähnt zu werden. Man sollte auch meinen, dass man solch eine Gefangene nicht als Sklavin verkauft, wodurch sie zur Prostitution gezwungen gewesen wäre, hätte ich nicht zufällig von ihr erfahren, als sie zum Verkauf stand.
Ich sage Hans lieber nichts davon. Es würde ihn nur von der Million Dinge ablenken, die er tun muss. Und irgendwie … ist hier etwas seltsam. Ich halte lieber den Mund und mir alle Möglichkeiten offen.
»Verfahren Sie nach eigenem Ermessen«, sagte der Kaiser. »Mir ist klar, dass Sie wahrscheinlich nicht weit kommen. Bei Ihnen kann ich mich aber darauf verlassen, dass Sie den anderen ein hartes Rennen liefern.«
Sein Blick schweifte zu dem Porträt des jungen Mannes, und sein Gesicht erschlaffte. Flandry konnte fast seine Gedanken lesen: Ach, Otto! Wärst du nur nicht getötet worden – wenn ich dich zurückholen könnte, würde ich dafür den dummen Dietrich und den intriganten Gerhart eintauschen, und wir hätten einen Thronerben, auf den wir uns verlassen können.
Der Kaiser richtete sich in seinem Sessel auf. »Also gut«, bellte er. »Weggetreten.«
Das Fest ging weiter. Gegen Morgen fanden sich Flandry und Chunderban Desai allein wieder.
Der Offizier wäre schon früher gegangen, hätte er keinen Auftrag erhalten. Nun erschien es ihm am klügsten, sich dem Luxus hinzugeben, die jahrhundertealten Schätze statischer und fließender Kunst zu bewundern, die den Palast füllten, edle Weine zu trinken, delikate Speisen zu kosten, mit schlagfertigen Männern zu sprechen, mit hübschen Frauen zu tanzen, von denen er schließlich eine in eine Pergola brachte, die er kannte (sie war unverschlossen und von Jasminranken geschützt), wo er sie liebte. Vielleicht erhielt er nie wieder eine Gelegenheit. Nachdem sie ihm müde eine gute Nacht gewünscht hatte, war ihm ganz nach einem Schlummertrunk.
Die Menge hatte sich ausgedünnt. Flandry entdeckte Desai und knüpfte ein Gespräch an, das in einem kleinen Garten endete.
Er entsprang freischwebend einer Wand, zwanzig Meter über einem Hof mit einem Springbrunnen. Das Wasser enthielt gelöste Fluoreszenzfarbstoffe und strahlte unter der ultravioletten Beleuchtung in Farben, die tiefer und reiner waren als Flammen. Ihr abgestimmtes Geplätscher tönte aus den Fangschüsseln und schuf eine gespenstische Musik. Davon abgesehen genossen die beiden Männer auf der Bank Dunkelheit und Stille. Blumen süßten eine Luft, die sich leicht abgekühlt hatte. Der Mond war schon lange untergegangen; Venus und eine schwindende Zahl von Sternen funkelten an einem Himmel, der über einem Ozean, der zusehends heller leuchtete, von schwarz nach purpurn verblasste.
»Nein, ich bin nicht überzeugt, dass der Kaiser richtig handelt, indem er aufbricht«, sagte Desai. Das Haar des pummeligen alten Mannes schimmerte genauso weiß wie seine Jacke; Gesicht und Hände in der Farbe von Schokolade waren zwischen den Schatten beinahe unsichtbar. Er paffte an einer Zigarette in einer langen Spitze aus Elfenbein. »Im Gegenteil, die Entscheidung fordert die Katastrophe heraus.«
»Aber die Barbaren auf den Putz hauen zu lassen, wie sie wollen …« Flandry trank von seinem Cognac und zog an der Zigarre, zuerst ein volles, dann ein beißendes Aroma. Er hatte seinen Besuch eigentlich mit einem entspannenden Gespräch beenden wollen. Desai, der dem Imperium auf vielen Planeten in vielen leitenden Positionen gedient hatte, verfügte über einen Schatz an Erinnerungen, für den es sich lohnte, ihn sich warm zu halten. Er war für ein Jahr auf Terra und lehrte an der Diplomatischen Akademie, dann wollte er auf Ramanujan, seiner Geburtswelt, den Ruhestand genießen.
Die militärische Lage – insbesondere Hans’ Entschluss aufzubrechen – sorgte ihn offensichtlich zu sehr, als dass er Sinn für Nettigkeiten hatte. »O ja, diese gesamte Mark muss neu strukturiert werden«, sagte er. »Nicht einfach nur verstärkt. Neue Verwaltungen, neue Gesetze, neue Ökonomien: idealerweise sogar alle Grundlagen einer neuen Gesellschaftsform unter den menschlichen Einwohnern. Wie auch immer, Seine Majestät sollte diese Aufgabe einem tüchtigen Vizekönig samt Stab übertragen, dem er außerordentliche Vollmachten verleiht.«
»Da haben wir schon das Problem«, entgegnete Flandry. »Wer wäre denn gleichzeitig tüchtig und
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