Flaschendrehen: Roman (German Edition)
mich nicht, wie sehr. Den kleinen Finger hätte ich mir für ihn abgehackt, alles hätte ich dafür gegeben, um ihn nur einmal zu küssen, einmal diesen Panzer zu durchbrechen und den Ben zu spüren, den ich dahinter sehe oder vermute. Mein Liebesgeständnis an Bens Abiball und den peinlichen Ausgang kennst du ja. Glaube mir, ich hab lange gelitten und versucht ihn zu vergessen, aber immer, wenn ich einen Freund hatte oder glaubte, mich richtig verliebt zu haben, kam der Punkt, an dem ich Vergleiche mit Ben anstellte. Untrügliches Zeichen, dass ich immer noch verliebt war, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, war, dass ich sofort alles stehen und liegen ließ, wenn Ben sich mit mir treffen wollte. Dann brachte er eines Tages dich mit, ohne Vorankündigung oder Erklärung. Ich gebe zu, dass ich dich gehasst und zugleich beneidet habe. Gehasst, weil du so unglaublich gut aussiehst, und beneidet, weil du es geschafft hattest, Ben zu bekommen. Anfangs dachte ich, das ist nur ’ne Phase, Ben muss doch spüren, dass eigentlich wir zusammengehören, uns verband so viel mehr, aber nein, ein Jahr, zwei Jahre später warst du immer noch da. Dein Instinkt hat dich nicht getäuscht, bis vor kurzem, wahrscheinlich sogar noch am Anfang in Berlin, hegte ich Gefühle für Ben, auch wenn ich sie mir verbat und ernsthaft versuchte abzugewöhnen. Doch dann ist das passiert, was ich nicht mehr für möglich hielt. Ich habe einen Mann kennen gelernt, der mich so umgehauen hat, dass Ben keine Rolle mehr spielt. Ich bin so glücklich verliebt, dass ich keinen anderen – auch nicht Ben – überhaupt anfassen könnte. Ich schwöre, ich bin über Ben vollkommen hinweg!«
Puh, was für eine flammende Rede, mein Mund war ganz ausgetrocknet.
Liv hatte mir aufmerksam zugehört.
»Wow! Danke für die offenen Worte. Vielleicht hätten wir mal früher sprechen sollen, obwohl, vielleicht auch nicht, denn früher fandest du Ben ja noch gut.« Sie grinste. Sieh an, Liv konnte auch ironisch sein, nicht nur schnippisch.
»Weißt du, wo wir gerade beim Seelenstriptease sind. Ich habe dich von Anfang an gehasst, nicht, weil ich sofort gespürt habe, dass du auf Ben stehst, damit wäre ich locker fertig geworden, nein, was mich rasend machte, war die Art, wie Ben von dir sprach, wie er dich behandelte. Ich spürte einfach, dass du ihm wahnsinnig wichtig bist.«
Ich unterbrach sie.
»Das mag sein, ich bin die Schwester seines besten Freundes, und er kennt mich, seit ich zwölf bin. Wenn es dich beruhigt, es war nie etwas zwischen uns, nicht einmal ein Kuss. Ich glaube, ich habe in seine Freundschaft einfach immer etwas hineininterpretiert, was von ihm aus nie da war. Nur weil wir uns auch ohne Worte verstehen, ähnlich ticken und gerne dieselben Sachen machen, heißt das noch lange nicht, dass da Liebe von seiner Seite im Spiel war. Man kann in Ben viel hineininterpretieren, wenn man will.«
Sie seufzte.
»Allerdings. Was meinst du, wie oft ich gerne wüsste, was in seinem Kopf vorgeht. So brillant, unterhaltsam und lustig er sein kann, so undurchsichtig und unvorhersehbar ist er andererseits. Das ist nicht immer leicht, ich schätze, dass ich genau aus diesem Grund auch so eifersüchtig auf dich war. Ihr habt diese Gemeinsamkeiten und Art der Kommunikation, die er sonst mit niemandem hat, und weil du eine Frau bist, zudem eine sehr hübsche, hat mich das enorm gestört.«
Das waren Einsichten! Liv fand mich hübsch und war auf mich eifersüchtig gewesen? Auf mich, Bens verschmähte Verehrerin?
Ihre Stimme wirkte gar nicht mehr so unangenehm, und wenn sie lachte, konnte sie wirklich sympathisch sein. Langsam wurde mir klar, was Ben an ihr fand, abgesehen von den langen Beinen und den Mandelaugen.
»Weißt du, Liv, du kannst, was Ben angeht, wirklich beruhigt sein. Überleg doch mal, wenn er mich wirklich gewollt hätte, hätte er das haben können, schließlich war ich jahrelang bereit, und er wusste das, aber er hat sich für dich entschieden, und das inzwischen schon für eine ziemlich lange Zeit.« Dieses Totschlagargument, das für mich zwar wenig schmeichelhaft war, musste auch den letzten Geschworenen überzeugen.
Es war, als ob Liv eine Last von den Schultern gefallen wäre. Sie hatte auf einmal überhaupt nicht mehr den Gesichtsausdruck einer hohlen, arroganten Litfaßsäule.
Beinahe schüchtern rückte sie ein Stück näher, um mir den letzten Grund ihrer Unsicherheit anzuvertrauen.
»Weißt du, ich bin einfach verunsichert,
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