Flaschendrehen: Roman (German Edition)
Neugierig fragte ich, als was Clemens verkleidet sei, ich wollte zu gern wissen, ob unsere Kostüme zusammenpassten, aber Rudi verriet mir kein Wort und ließ mich zappeln.
»Gib mir mal Sarah, bitte!«, bat ich Rudi, der das Telefon weiterreichte. Sarah schien ebenfalls glänzender Laune.
»Wo bleibst du denn bloß? Hier ist schon richtig was los, und alle fragen mich, wo du steckst. Als was hast du dich jetzt verkleidet?«, fragte sie, denn nicht einmal Sarah hatte ich mein Kostüm verraten. So waren die Regeln, und fast alle hatten sich daran gehalten, außer Rudi und Leila.
»Das wirst du gleich sehen«, gab ich mich weiter geheimnisvoll.
Sarah klang beunruhigt.
»Sag mir, dass du nicht die Idee als Doris Day oder der Kleinen aus Interview mit einem Vampir aufgegriffen hast, alles andere ist mir egal!«
»Auch wenn ich als Belle de jour komme?«, foppte ich sie, woraufhin sie lachen musste.
Sie war guter Laune, also versuchte ich, zu erfragen, als was Clemens verkleidet war, aber Sarah hielt dicht, stattdessen wollte sie wissen, wie ich mein Kostüm gefunden hatte.
»Ganz einfach, ich hab auf deinen Rat gehört, nicht auf Teufel komm raus originell sein zu wollen, sondern einfach aus dem Bauch heraus das zu wählen, was zu mir passt.«
Ob mir das gelungen war, sollte sich gleich herausstellen, das Taxi hielt vor dem hell angestrahlten Colombi-Theater.
Das verspielte Theatergebäude im Rokoko-Stil sah etwas runtergekommen aus, was ihm aber erst recht Charme verlieh. Eine bessere Kulisse für den Kostümball gab es nicht, dachte ich, als ich den mit Lampions geschmückten Weg vorbei an den hohen verwachsenen Hecken entlangging. Mit jedem Schritt, den ich mich dem Eingang näherte, pochte mein Herz schneller. Aufgeregt und gespannt fragte ich mich, wie die anderen aussahen und ob Clemens meine Verkleidung gefiel.
Meine Absätze klapperten auf den von Rissen durchdrungenen Marmortreppen, zwei als Schweizer Garde kostümierte Türsteher öffneten für mich die schwere Eisentür und riefen mir ein »Oh nein, wie süß!« hinterher.
Im Halbdunkel ging ich die Eingangshalle hindurch in die Richtung, aus der Licht und Musik drangen.
Geblendet stand ich schließlich im Ballsaal und kam mir vor, als ob ich beim Jubiläumstreffen der Actors Guilde , der amerikanischen Schauspielinnung, gelandet war. Wohin ich blickte, nur Hollywoodstarkostüme.
»Sissy?!«, rief Sarah ungläubig, die mich als Erste erblickte und wie die Zwillingsschwester von Angelica Houston aussah. Immerhin konnte man mein Kostüm auf Anhieb erkennen.
Was sollte ich antworten?
»Néné? So hieß doch Sissys Schwester im Film?«
Verunsichert versuchte ich, ihre Reaktion einzuschätzen.
»Ich flehe dich an. Sag mir, dass ich mich nicht zum Deppen gemacht habe«, flüsterte ich ihr ins Ohr.
Sarah nahm meine Hände und sah mich von oben bis unten an.
»Aber nein, du siehst hinreißend aus! Du wirst es nicht glauben, aber du hast tatsächlich Ähnlichkeit mit deinem Vorbild, abgesehen davon, dass deine Haare zu hell sind, aber sonst siehst du geradezu verblüffend aus wie Romy Schneider als Sissy, und mit deiner kitschigen Ader ist das sehr passend.«
Da standen wir als Sissy und Angelica Houston und hätten mal wieder nicht unterschiedlicher aussehen können.
Rudi und Leila stürmten auf mich zu und überhäuften mich mit Komplimenten.
Meine Nervosität legte sich, jetzt galt es nur noch, Clemens zu finden.
Keine Ahnung, wo er steckte, aber er hatte sich ganz schön ins Zeug gelegt, ein zehnköpfiges Swingorchester spielte Filmmusiken, an der Wand schlängelte sich ein meterlanges Buffet mit Vorspeisen, warmen Speisen und Nachtisch entlang, Serviererinnen im Fünfziger-Jahre-Schwarz-Weiß-Häubchen-Look verteilten Drinks auf Tabletts, und Bauchladenmädchen reichten gratis Zigaretten und Schokolade.
»Hast du Clemens gesehen?«, fragte ich Sarah, die sich ihre schwarze glatte Langhaarperücke zurechtrückte.
»Einfach der Menge nach, da, wo der größte Auflauf ist.«
Stimmte, hätte ich mir denken können. Ich raffte meinen weiten raschelnden Reifrock hoch und machte mich auf die Suche. Plötzlich hörte die Kappelle einen Moment lang auf zu spielen, die Lichter im Saal gingen aus, auf die Bühne wurde ein Lichtkegel geworfen. Die Kapelle setzte wieder ein, und zur Melodie von Goldfinger seilte sich von der Decke unter tosendem Beifall James Bond ab, der sich als Clemens entpuppte. Sein Anblick verschlug mir den Atem, er sah einfach
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