Flaschendrehen: Roman (German Edition)
geworden, mit dem sie uns alle in den Wahnsinn trieb. Behutsam versuchte ich, ihr klar zu machen, dass sie den Bogen überspannte und ihre Clemensverehrung groteske Formen annahm, was leider nichts half. Diane fand deutlichere Worte, und zum ersten Mal hegte ich so etwas wie Sympathie für Diane. Sie sagte Michi nach einer »Clemens und ich auf der Buchmesse«-Erwähnung klipp und klar, dass es niemanden interessiere und sie ihre Wahnvorstellungen lieber für sich behalten solle, schließlich gebe es auch in Deutschland neue harte Gesetze für Stalker. Clemens sah amüsiert über Michis Schwärmerei hinweg und fand ihre Bewunderung irgendwie süß.
»Sieh mal, wie findest du die roten Rüschen mit dem schwarzen Stoff? Das schreit geradezu nach Carmen. Findest du nicht?«
Leila wickelte sich die beiden Stoffe um den Körper, nestelte ihre Haare zu einem Dutt und war eindeutig die hübscheste Carmen, die man sich vorstellen konnte.
Jetzt musste sie nur noch einen Fächer und Flamencoschuhe besorgen, eine Blüte in die Haare stecken, das umrüschte ausgeschnittene Dekolletee mit Bronzeglitzer einpudern, roten Lippenstift auftragen, und Spaniens Feuer, Stolz und Leidenschaft waren in ihr vereint.
»Perfekt, Amiga! Wenn ich nur wüsste, als wen ich mich verkleide. Kennst du diesen blonden Androiden aus Blade Runner , gespielt von Daryl Hannah. Wäre das nicht abgefahren?« Ich seufzte.
Leila schüttelte den Kopf.
»Das erkennt doch niemand! Warum machst du es dir so schwer? Niemand erwartet, dass du dich besonders ausgefallen verkleidest, such dir einfach was aus, was du schon immer sein wolltest und worin du dich wohl fühlst.«
Sie hatte Recht, nur leider wollte ich aber besonders schön für Clemens aussehen, der mir partout nicht verriet, in welcher Verkleidung er auftauchen würde.
Grace Kelly wäre ich gern, aber sie war nicht einfach nachzumachen, es gab nicht das typische Grace-Kelly-Outfit. Und bevor mich jeder fragte, wen ich denn darstellte, ließ ich es lieber.
Na ja, ein paar Tage hatte ich noch, und bis dahin würde mir sicher etwas einfallen. Viel schwieriger gestaltete sich Clemens’ Geburtstagsgeschenk, denn natürlich wollte ich ihm das persönlichste, passendste, originellste Geschenk aller Zeiten machen, eines, das spiegelte, wie ich für ihn empfand. Bisher war mir diese eine Idee nicht gekommen, eine Reise war eine schöne Idee, aber so vergänglich und eher als Überraschung geeignet. Ein selbst gebasteltes Fotoalbum mit Venedigfotos war für seinen vierzigsten Geburtstag nicht speziell genug. Was, wenn ich ihm einen Baum pflanzte? Nicht, dass er das am Ende als Hinweis sah und sich von mir gedrängt fühlte, eine Familie zu gründen, ein Thema, das er sehr zwiespältig sah. Generell wollte er angeblich Familie, fühlte sich aber noch zu unruhig und rastlos. Wenn ich eines gelernt hatte, dann nie Druck auf einen Mann auszuüben, der sich nicht richtig binden wollte.
Leila begann gekonnt, die Stoffballen auf dem Schneidertisch auszubreiten und den Stoff für ihr Carmen-Outfit zuzuschneiden.
»Und wenn ich mich als blauer Engel verkleide?«, wagte ich einen neuen Versuch.
Leilas Blick reichte vollkommen aus, ihren Kommentar, dass ich weder die Strenge noch Verruchtheit, geschweige denn in meinem Alter die Lolita-Qualitäten einer Dietrich verkörperte, hätte sie sich sparen können. Während Leila alle Utensilien, die sie brauchte, zusammenpackte, sah ich noch mal die Stoffe durch, um auf eine Idee zu kommen. Leider tat sich nichts dergleichen. Außerdem waren wir noch mit den anderen in der Neuen Nationalgalerie zur Melancholie -Ausstellung verabredet. Die »anderen« waren eine geschrumpfte Truppe, die aus meinem Bruder, Ben und im schlimmsten Fall Liv bestand. Clemens war das gesamte Wochenende mit Feline und den anderen Senior Managern auf einer Konferenz auf Sylt, wo sie in aller Ruhe die anstehende Anzeigenkundentour vorbereiteten, was mich maßlos nervte. Sarah schob zur Abwechslung keinen Bereitschaftsdienst, sondern besuchte eine Weiterbildung, um endlich ihren Facharzt zu bekommen; und Leilas Jakob, den ich leider bislang nicht getroffen hatte, war wie jedes Wochenende in München, um sich um seinen Papa zu kümmern. Leila vermisste ihn zwar sehr, hatte aber Verständnis. Da sie selbst wegen des Ladens nicht einfach wegkonnte, hatte sie Jakob auch nicht begleiten können.
»Wollen wir zwei Strohwitwen dann mal los?«, drängte ich Leila und schob sie zur Ladentür.
Sie hakte
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