Flaschendrehen: Roman (German Edition)
angeordnet eine Tasse. Erwartungsvoll sah meine Mutter in die Runde. Sie ließ sich heute Abend bei ihrem Hexennamen ansprechen, der Hekate war.
»Na, merkt ihr schon was?«
Ehrlich gesagt nicht, das Einzige, was mir auffiel, war, dass Michi und Diane kleine grüne Teereste zwischen den Zähnen hingen. Die Wirkung trat wohl erst nach einiger Zeit ein.
Meine Mutter, Verzeihung, Hekate tischte ein weiteres magisches Essen auf. Dinkelnudeln mit Fenchel und eine Vanille-Zimt-Ingwer-Creme, die uns spirituell öffnen sollte. Für dieses Ritual, das wir Clemens zu verdanken hatten, würde er büßen, denn eins war klar, der Abend hatte gerade erst begonnen, und wir waren noch lange nicht durch.
Michi und Diane waren entweder höflich, belustigt oder so verzweifelt, dass sie an den Lippen meiner Mutter der Oberhexe Hekate hingen, als sie alle bat, uns in mein Arbeitszimmer zu begeben.
Bevor wir eintreten durften, mussten wir lange rote Umhänge anlegen, die bis auf den Boden reichten, die paar Wochen im Aschram mussten doch mehr Eindruck bei ihr geschunden haben, als ich gedacht hatte. Zumindest der farbige Einheitslook hatte es ihr angetan, auch wenn sie ihn mit Rot etwas abwandelte.
Sie ging vor und rief uns nach einigen Minuten rein. Mich traf der Schlag.
Das Zimmer war abgedunkelt, wallende farbige Stoffe verdeckten die Fenster. In der Mitte des Raums hatte sie einen Kreis aus Kissen und Steinen angeordnet, darin stand ein Zimmerbrunnen, wie man ihn auch auf Homeshopping Europe bestellen kann. Den Zimmerbrunnen, der an sich schon geschmacklos genug war, umgab ein Pentagramm aus Münzen und Blüten. Beleuchtet wurde das kleine Hexenparadies von Kerzen, die sie großzügig im Zimmer verteilt hatte. Von der ursprünglichen Atmosphäre und Einrichtung war nicht mehr viel zu sehen. Alle Möbel waren weggeräumt oder mit Laken verhüllt. Aus meiner Anlage drangen sphärische Klänge, und es roch fast schon penetrant nach Rosmarin.
Michi war hin und weg und ließ sich voll auf die magische Reinigung ein, während Diane mich in die Seite stieß und ein Kichern unterdrücken musste. Meine Mutter, Verzeihung, Hekate trennte uns sofort. In diesen Dingen verstand sie keinen Spaß, mein Protestverlangen unterdrückte ich, nicht dass sie mir am Ende Warzen auf die Nase zauberte …
Neben jedem Kissen stand eine Schale mit Wasser.
»So, ab jetzt sprecht ihr nur noch, wenn ich euch auffordere, mir etwas nachzusprechen. Ansonsten folgt einfach meinen Anweisungen.«
Ja, da gab man sich immer antiautoritär, und die dominante Seite wurde dann also in magischen Ritualen ausgelebt. Meine Mutter reichte einen Sack mit Steinen herum und forderte uns auf, je einen auszusuchen, natürlich nur mithilfe des Tastsinns.
Nachdem jede von uns einen Stein ausgesucht hatte, stand sie auf, ging zum Brunnen in der Mitte meines ehemaligen Arbeitszimmers und reinigte den Stein, was wir schließlich nachmachten. Sie hielt den Stein mit beiden Händen unter das fließende Wasser und sprach laut und deutlich eine Reinigungsformel, die wir zeilenweise nachsprachen.
»Mit diesem Wasser fließt alles Negative, Dunkle und Schmutz von diesem Stein und lässt das Licht sowie die guten Mächte wieder durchscheinen. Dieser Stein wird mein Schutz sein gegen schwarze Gefühle, Verzweiflung und Aufgabe. Er hilft mir, die guten Mächte an meiner Seite zu haben, die mich empfänglich machen für Liebe, Verständnis und Hoffnung. Er weckt meine Lebensgeister und spirituellen Fähigkeiten und spendet mir den Trost, den ich brauche, um mit Enttäuschungen abzuschließen.«
Meine Mutter ging zu einem kleinen Altar, den sie aufgebaut hatte. Wenn mich jetzt mein Vermieter sehen könnte, er würde mich im hohen Bogden aus der Wohnung werfen, wer würde es ihm verdenken, wenn eine sektenähnliche Frauen- WG ihr Unwesen trieb. Auf dem Altar stand eine große kristallene Schüssel mit einer Flüssigkeit, die stark nach Eukalyptus roch. Meine Mutter badete ihren Stein in dem Bad, wir taten es ihr nach. Dann zündete sie in einer anderen Schale etwas Beifuß an, dessen Geruch ich erkannte, sie veranstaltete Beifuß-Räucherungen zu allen möglichen Gelegenheiten. Sie hielt ihren Stein in den aufsteigenden Rauch, wir brav hinterher.
»Dieser Rauch nimmt alle schlechten und negativen Schwingungen der Vergangenheit hinfort, er reinigt eure Herzen von allem, was euch beschwert, und gibt euch die Leichtigkeit zurück.«
Wie ich diese Formeln nachsprach, war mir überhaupt
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