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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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stolzer, leicht arroganter Gesichtsausdruck war wie aufgeweicht, vor mir saß eine verletzte Frau, die eine zerstörte Illusion nie verwunden hatte, was ich ihr nicht verdenken konnte.
    Ich spürte Mitleid in mir hochsteigen.
    »Ich hätte ihn an Ihrer Stelle umgebracht. Das schreit nach Rache!«
    Ilona Richter schüttelte den Kopf und machte eine abwehrende Geste.
    »Was meinen Sie, wie viele perfide Arten der Rache ich mir für diesen Blindgänger schon ausgedacht habe, zumindest am Anfang. Irgendwann verschwindet das Gefühl, und das Einzige, was bleibt, sind tausend unbeantwortete Fragen. Alles, was ich heute will, ist eine Aussprache, um endlich dieses Thema abschließen zu können.«
    Mist, ich musste heftig schlucken. Keine guten Aussichten für eine mögliche Zukunft … aber so konnte auch ich enden, wenn ich es nicht schaffte, von Clemens loszukommen, oder mir blühte ein Schicksal wie Viola, seiner Stalkerin. Gab es nicht irgendwo eine Frau, die Clemens unbeschadet überstanden hatte?
    Ilona Richter wäre nicht Ilona Richter, wenn sie mich ungeschoren davonkommen ließe. Natürlich wollte sie meine Geschichte im Gegenzug hören, bei ihr gab es nie etwas umsonst, erst recht keine privaten Einblicke in ihr Liebesleben. Sie verlangte im Austausch für ihren Seelenstrip Informationen, was mich und Clemens anging.
    »Also raus mit der Sprache, sie hat er doch auch gelinkt. Das seh ich doch auf einen Blick!«
    Ja, das hatte er, und zwar gleich mehrfach.
    »Sagen wir so. Ich alleine habe ihm nicht ausgereicht.«
    Wissend sah sie mich an.
    »Das sieht dem Schwein ähnlich. Bekommt den Hals nicht voll und weiß nie, wo die Grenzen sind. Solche Typen gehören kastriert! Hach, was würde ich darum geben, mit Clemens nur eine Stunde in einem Raum eingeschlossen zu sein!«
    So ganz schien mir das Rachethema noch nicht vom Tisch zu sein! Wenn ich in ihre funkelnden Augen sah, bekam ich fast ein wenig Angst vor ihr. Wenn dieser Frau im Normalzustand einiges zuzutrauen war, so musste sie in Rage unberechenbar sein.
    Auf alle Fälle wurde mir klar, dass ich es schaffen musste, mit Clemens abzuschließen. Ich wollte garantiert nicht mein Leben lang als Rachegöttin auf den Moment der Abrechnung warten und dabei zu einer zweiten Ilona Richter mutieren.
    Ihr Handy klingelte, sie nahm ab und war sofort wieder in ihrer Rolle der gnadenlosen Chefin angekommen. Mit schneidendem Ton putzte sie einen armen Untergebenen namens Thomas herunter, den sie erst gar nicht zu Wort kommen ließ.
    Leise legte ich Geld hin und gab ihr ein Zeichen, dass ich losmusste. Sie hielt kurz inne, umschloss die Sprechmuschel mit der Hand, lächelte mich mit ihren falschen Porzellankronen an und rief abschließend: »Ein Gespräch, das ist alles, was ich will!«
    Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Lieber Gott, lass mich nie so werden wie sie, flehte ich und stolperte fast über ihren affigen Pelzmantel.
    Schweigend ging ich zum Auto zurück, vielleicht war dieses Reinigungsritual meiner Mutter doch keine so schlechte Idee, wer weiß, vielleicht half es.

»Da bist du ja!« Meine Mutter war in ihrem Element, armen verletzten Frauenseelen zu helfen, dazu war sie anscheinend geboren. Diane als verlorene Tochter, deren Charakter sich als doch nicht so mies bestätigt hatte, umhegte sie besonders herzlich.
    Diane saß bereits mit Michi in der Küche bei einem selbst gebrauten Getränk und verzog das Gesicht. Das Gebräu, von dem mir meine Mutter sogleich einen Becher reichte, war bereits eine Vorstufe des Reinigungsrituals.
    »Was ist denn da drin?«, fragte ich vorsorglich und hätte es lieber gelassen.
    Die Mischung war natürlich selbst kreiert aus Ibogastrauch, einer leicht giftigen Pflanze, deren Wirkung Lebenskraft, Stimulans nachgesagt wurde und die als seelischer Muntermacher galt. Hinzu kam gelbe Teerose, die bei Stress, Schlaflosigkeit eingesetzt und außerdem als sanftes Beruhigungsmittel verwendet wurde, ebenfalls leicht giftig.
    Die Dosierung war das Geheimnis, und angeblich waren die Pflanzen so schwach giftig, dass es auf keinen Fall zu Nebenwirkungen kommen konnte. Hoffentlich stimmten die Angaben, die sie in ihren Kräuterbüchern nachlas, auch und stammten nicht aus dem Handbuch einer Sekte, die damit Selbstmordmassenrituale vollzogen hatte. Ich sah uns im Geiste mit Vergiftungserscheinungen die gesamte innere Abteilung des städtischen Krankenhauses lahm legen.
    Angewidert vom Geruch hielten wir uns die Nase zu und tranken wie

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