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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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mich ausgerechnet mit einer Frau wie Ilona Richter eine Gemeinsamkeit oder ein ähnliches Schicksal verbinden würde.
    Nachdem sie im gewohnten Befehlston, der keinerlei Widerrede duldete, die Bedienung aufgescheucht hatte, einmal um Zigaretten zu besorgen, dann um ihr extra geschäumte Milch zu bringen, kam sie zur Sache. Lange Vorreden oder ein vorsichtiges Herantasten an die Materie schenkte sie sich, sie war niemand, der lange um den heißen Brei herumredete.
    »Sie wissen also von mir und Clemens. Na ja, war wohl nur eine Frage der Zeit. Aber Sie hat es auch erwischt, oder? Ich habe Sie in Venedig zusammen gesehen, da war mir alles klar! Ja, Clemens kann einfach unwiderstehlich sein! Sein Geheimnis ist, dass er sich in jede Frau hineinversetzen kann. Er sieht ihr in ihr Innerstes und spürt ihre Wünsche, ihre Verletzungen und weiß, wie er ihre Traumvorstellungen erfüllen kann. Natürlich hilft es auch, dass er kein hässlicher kleiner glatzköpfiger Zwerg ist, aber die Hauptsache ist seine Wirkung. Das Interessante ist, dass jede Frau, die an ihn geraten ist, ihn anders beschreiben wird, das ist sein zweites Geheimnis, er ist wie Luft, einfach nicht zu fassen, und niemand kennt im Gegenzug seinen Kern oder wie er wirklich denkt oder fühlt, wahrscheinlich weiß er das selbst nicht einmal. Für ihn sind die Liebe und das Leben ein großes Spiel, eine Versuchung, der er immer wieder erliegen will, jede Frau hat für ihn etwas, das es zu knacken gilt oder das ihn interessiert. Je schwieriger oder je höher die Hürde, desto spannender für ihn und desto mehr legt er sich ins Zeug!«
    Sie sprach im Prinzip das aus, was ich mir inzwischen auch zusammengereimt hatte. Mir wurde klar, dass ich mit der Taktik, mich selten und schwierig erreichbar zu machen, erst recht Clemens’ Interesse geweckt haben musste.
    Sie nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette, kein Wunder, diese raue, kehlige Stimme bekam man nicht einfach so, und musterte mich nachdenklich.
    Wahrscheinlich überlegte sie sich auch, wie zwei von ihrer Art und ihrem Alter so unterschiedliche Frauen, zudem beide intelligent, auf ein und denselben Mann hereinfallen konnten.
    Nicht, dass ich meinte, ich hätte ein besseres Paar mit Clemens abgegeben, aber Ilona Richter passte ungefähr so gut zu ihm wie ein Pappbecher zu Meißener Porzellan, nämlich überhaupt nicht. Ihre schrille, auffällige, künstliche Art und Clemens, ein Mann von Welt, das ging mir überhaupt nicht in den Kopf. Allein bei dem Gedanken, wie die beiden gemeinsam an einem Tisch saßen, versagte meine Vorstellungskraft, geschweige denn, wenn ich an intimere Dinge dachte.
    Nein, was Clemens an ihr besonders gereizt haben musste, war ihre strenge, abweisende und kühle Art, nur so ließ sich die Verlobung erklären. Das musste der ultimative Beweis gewesen sein, als diese ehrgeizige, egomanische Frau, die so sehr auf ihre Karriere und einen gesellschaftlichen Aufstieg fokussiert war und keine Kinder wollte, plötzlich ihren Lebensentwurf aufgab und für Clemens bereit war, die Rolle der Ehefrau und Mutter zu übernehmen, nur deshalb war er so weit gegangen. Die Herausforderung war besonders schwer, die Latte hatte besonders hoch gelegen, Ilona war so zu einem würdigen Exemplar für Clemens geworden, der nur wieder seine Verführungskünste hatte unter Beweis stellen wollen. Zumindest war das meine Vermutung.
    »Darf ich sie etwas Persönliches fragen? Waren Sie bereit, für Clemens auf Ihren Job zu verzichten und dafür seine Kinder großzuziehen?«
    Ertappt sah sie mich an und fingerte nervös an ihrem deutlich zu tiefen Ausschnitt herum.
    »Ja, allerdings. Wie ich sehe, haben Sie ihn und seine Art zu denken verstanden.«
    Schien mir auch so, nur leider zu spät.
    Vorsichtig fragte ich nach, wie es denn zwischen ihr und Clemens auseinander gegangen war. Sie lachte so laut und höhnisch, dass die Gäste am Nebentisch erstaunt zu uns herübersahen, was sie überhaupt nicht wahrnahm. Kein Wunder, Empathie war nicht eine ihrer größten Stärken.
    »Theoretisch überhaupt nicht, eigentlich sind wir bis zum heutigen Tag verlobt, zumindest hat er die Verlobung nie gelöst, sondern war plötzlich einfach verschwunden. Nach spätestens einem Monat ohne Lebenszeichen war mir dann auch klar, dass die Hochzeit wohl abgesagt ist. Später bekam ich mit, dass er ins Ausland gegangen war, ich habe versucht, ihn zu kontaktieren, aber vergeblich. Bis heute kam es zu keiner Aussprache!«
    Ihr ansonsten

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