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Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Flaschendrehen: Roman (German Edition)

Titel: Flaschendrehen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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Hinter die Scheibenwischer war ein riesiger Zettel geklemmt, den ich erst für eine typische Reklame hielt, solche Handzettelaktionen – »Viel Geld für Ihr Auto« oder »Zwei Kilo abnehmen in drei Stunden« – gab es in Berlin täglich.
    Ich riss den Zettel an mich und las die mit schwarzem Edding handschriftlich notierten Zeilen.
    »Hör auf, solange du noch kannst, Gretchen. Er ist gefährlich!«
    Also wenn nicht ausdrücklich mein Name dort gestanden hätte, ich hätte es für eine Verwechslung gehalten. Wortlos reichte ich das Blatt Clemens, der es ebenfalls überflog, den Kopf schüttelte und mit einem Schlag sehr wütend aussah!
    »Sie geht eindeutig zu weit. Das geht jetzt über meinen Anwalt!«
    Auf den Kopf gefallen war ich nicht, und so konnte ich mir denken, dass ich die frohe Botschaft seiner Stalkerin zu verdanken hatte, die mich wohl ab jetzt mitstalkte. Clemens nahm meine Hände und erklärte die Situation.
    »Viola und ich waren einige Wochen liiert. Ich hab schnell gemerkt, dass ihre Anhänglichkeit ein normales Maß bei weitem übersteigt und krankhafte Züge annahm. Als ich mich getrennt habe, hat sie es nicht akzeptieren wollen und versucht seither, in alles, was mir wichtig ist, hineinzufunken. Bisher habe ich versucht, es diskret zu handhaben, aber wenn sie anfängt dich zu belästigen, gebe ich alles an meinen Anwalt weiter. Versprich mir, dass du nie mit ihr sprichst. Wenn man ihr auch noch Aufmerksamkeit schenkt, bekommt man sie erst recht nie wieder los!«
    Eigentlich fand ich es ganz amüsant, eine Stalkerin zu haben, das hatte was, und solange sie mir nur Zettel an die Autoscheibe klebte. Ja, mit Clemens lief eben alles ein wenig anders.

Im Büro fiel es mir schwer, mich wieder in die nüchterne Chef-Angestellten-Rolle einzufinden. Michi hatte uns zusammen kommen sehen und natürlich sofort nachgefragt, wie das gekommen sei.
    »Sein Auto sprang nicht an, und da hab ich ihn mitgenommen. Liegt ja quasi auf dem Weg!«, schwindelte ich, anscheinend überzeugend genug, denn Michi war zufrieden mit der Antwort. Fröhlich ließ ich mich auf den Drehstuhl fallen und schaltete meinen Laptop an.
    Michi sah mich an.
    »Hast du eigentlich abgenommen oder ’ne neue Frisur? Du siehst so verändert aus. Irgendwie so frisch!«
    Sollte ich sagen, ja, so sieht man aus, wenn man eine Nacht mit Clemens verbracht hat, da braucht es kein Peeling oder La-Mer-Produkte.
    »Das ist mein Kampfwille, Michi, der mich so aussehen lässt. Der blöden Richter und ihrem Schmierblatt werden wir mal zeigen, was wirkliches Know-how und Qualität sind. Solche Herausforderungen machen mich wach und lebendig. Man muss den Kitzel spüren und die Gefahr zulassen, Michi, dann macht es auch Spaß! Karnickelstarre vor lauter Angst hat noch niemandem etwas gebracht.«
    Meine Jeanne d’Arc-Rede für Arme war wohl ziemlich überzeugend gewesen, denn Michis Augen funkelten plötzlich.
    »Du hast Recht! So müssen wir an diese Sache rangehen! Sollen die doch Zeitgeist herausbringen, wir sind besser. Auf in den Kampf, Torehehehero.«
    Den letzten Satz hatte sie gesungen, was Diane auf den Plan rief, die den Kopf zur Tür reinsteckte, herablassend den Kopf schüttelte, irgendwas von »durchgedreht und echt nicht belastbar, die Kleine« murmelte, was Michi aber nicht im Geringsten beeindruckte. Sie sang weiter, schließlich stand ihre Eigentumswohnung auf dem Spiel.
    In der morgendlichen Redaktionssitzung fiel es mir noch schwerer, mich zu konzentrieren. Ich musste aufpassen, nicht die ganze Zeit mit debilem Grinsen Clemens anzuhimmeln, während er ernsthaft auf unsere Pläne für die nächste Ausgabe einging. Zwischendurch warf er mir einen Blick zu, der alle Bilder der letzten Nacht hervorrief und mich fast verrückt machte. Noch nie hatte ich mich so begehrt gefühlt!
    »Habt ihr schon in die heutige Ausgabe von Netzwerk reingeschaut?«, fragte Clemens.
    Netzwerk war die wöchentlich erscheinende Branchenzeitung, die Personalien, Käufe und Verkäufe, Auflagenzahlen und Strategie- und Führungswechsel bekannt gab.
    Diane hatte wohl, zumindest überschlug sie sich vor Eifer. Ihre Hand mit Cartier-Uhr und lackierten Fingernägeln schoss in die Höhe. Seit wann waren wir denn hier in der Schule? Vielleicht sollte ihr jemand sagen, dass es keine Noten mehr für Mitarbeit gab, und Fleißbildchen waren seit der Grundschule auch nicht mehr verteilt worden.
    »Meinst du das Interview mit Ilona Richter?«
    Clemens nickte, und Diane schaute

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