Flaschendrehen: Roman (German Edition)
anbieten sollte, künftig für sie die Buchhaltung zu machen, aber wie um alles in der Welt wollte sie mit diesem Geschäftsprinzip überleben. Dann fiel mir ein, dass meine Mutter und all ihre Freunde bestimmt gern und mit vollen Händen viel Geld für ihre Weissagungen ausgeben würden.
Wir einigten uns, dass ich erst nach der Sitzung bezahlen würde.
Das Zelt war sehr gemütlich und überhaupt nicht okkult eingerichtet. Zwei schöne, große weiße Sitzkissen mit einem kleinen Tisch standen in der Mitte, überall waren Blumen und Kerzen aufgestellt. Engelsfiguren hingen an der Decke, und einer dieser Wasserbrunnen, der bei manchen Menschen das Bedürfnis weckt, dringend aufs Klo zu müssen, plätscherte vor sich hin. Es roch nach Vanille und Zimt, und wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich im Zelt einer Wahrsagerin gelandet war, hätte es auch durchaus eine Zweigstelle von Laura Ashley sein können.
Birgit, so hieß meine Wahrsagerin, schenkte mir einen Roibuschtee mit Honig ein, holte ein Set Karten und begann zu mischen.
Sie schloss die Augen, atmete ruhig ein paar Mal hörbar ein und aus und fing dann an, mit leiser, konzentrierter Stimme zu mir zu sprechen.
»Denke jetzt bitte an deine Frage, nimm dir mit der linken Hand zehn Karten aus dem Stapel und gib sie mir der Reihe nach.«
Zugegeben, ich war nervös. Birgit nahm die Ziehung so ernst und schien überhaupt nicht durchgeknallt zu sein. Was, wenn sie wirklich in die Zukunft sehen konnte und ich das gar nicht wissen wollte.
Sie bemerkte, dass ich zögerte.
»Keine Angst, ich gebe dir Hinweise, Warnungen und Hilfsmittel, ich sage dir keine schlimmen Schicksalsschläge, die du nicht verhindern kannst. Wenn es dir zu viel wird, kannst du jederzeit abbrechen.«
Sie lächelte so warm und vertrauenerweckend, dass ich gleich beruhigter war.
Clemens, Clemens, Clemens dachte ich, während ich mit links zehn Karten zog.
Sie öffnete die Augen, legte die Karten in einen Kreis und drehte eine nach der anderen um. Die Karten waren mit bunten, mittelalterlichen Motiven verziert. Frauen mit langem, wallendem Haar, Reiter, ein Totenschädel mit Granatäpfeln umgeben, Briefe und Füchse waren auf meinen gezogenen Karten zu sehen.
Gespannt schaute ich auf Birgits Gesicht, um ihre Reaktion zu deuten.
Sie murmelte nur Ahas und Hms vor sich hin.
»Das ist ja komisch. So habe ich das erst einmal gesehen. Kannst du bitte zwei weitere Karten ziehen?«
Was hatte das denn zu bedeuten? Stand es so schlimm um meine Zukunft?
Birgit nahm die Zusatzkarten entgegen, drehte sie um, schüttelte den Kopf, sprach mehr zu sich als zu mir, »das ergibt alles keinen Sinn«, und bat mich, noch einmal drei Karten zu ziehen.
Sie drehte die drei Karten um und war mit einem Schlag hellwach.
»Also doch!«, entfuhr es ihr. Geduld war noch nie eine meiner Stärken gewesen, erst recht nicht, wenn meine Zukunft auf dem Spiel stand.
»Was sagen die Karten denn?«
Birgit holte tief Luft und begann zu sprechen, sehr klar und nicht in Trance, wie ich mir das eigentlich vorgestellt hatte.
»Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber ich bekomme den Mann, nach dem du gefragt hast, nicht zu fassen. Kann es sein, dass er einen Zwillingsbruder hat?«
Gute Frage, ich wusste noch nicht mal, ob Clemens Eltern hatte oder der erste perfekte gentechnisch mutierte Mann aus einem geheimen südkoreanischen Genlabor war.
»Keine Ahnung, wir sind erst frisch zusammen.«
Birgit schüttelte weiter den Kopf.
»Das ist auch so seltsam, ich bekomme keine wirkliche Verbindung zu dir und ihm. Stattdessen habe ich lauter Umbrüche, Wandel, weibliche Einflüsse und Frauenkarten um deine Person herum liegen. Mindestens zwei, wenn nicht sogar drei sind sehr negativ und dir schlecht gesonnen. Eine verhält sich neutral, und zwei Einflüsse sind unterstützend und stärkend. Du wirst auf alle Fälle eine Überraschung erleben, die einen Umbruch, eine tiefe Zäsur in deinem Leben darstellt. Aber eine Frau, die dir momentan noch nicht sehr nahe steht, wird dich beschützen und auf dich aufpassen, denn ich muss dir leider sagen, dass ich alles in allem nur eines sehe, nämlich eine Schlangengrube und du mitten drin.«
Geld zurück! Ich wollte sofort mein Geld zurück! Blühende Landschaften, Heirat, Kinder, ewiger Reichtum – so etwas wollte ich hören, doch nicht, dass ich in einer Schlangengrube saß.
So leicht gab ich nicht auf.
»Aber was ist denn mit der Liebe? Ich bin glücklich verliebt wie noch
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