Flaschendrehen: Roman (German Edition)
schneller, seiner auch. Ruckartig ließ er mich los und verschwand so schnell ich gar nicht gucken konnte.
Lag es an dem Alkohol, oder hatte ich gerade Schmetterlinge im Bauch gehabt? War das momentan angesagt, mich zu verwirren, so eine Art Volkssport unter Berliner Männern, oder waren einfach alle durchgedreht? Ben hatte Liv und ich den unglaublichen Clemens. Kaum hatte ich an Clemens gedacht, war Ben sofort vergessen, die Schmetterlinge zwar noch da, aber die flatterten eindeutig für Clemens, den Mann aller Männer!
Was für eine merkwürdige Zeit. Alles schien im Wandel zu sein und ich mitten drin.
Verkatert und viel zu früh weckte mich meine Mutter am nächsten Morgen.
»Magst du nicht aufstehen? Ich hab schon Frühstück gemacht!« Sie stellte zwar eine Frage, aber in einem Ton, der klar machte, dass sie kein Nein dulden würde. Ausschlafen war heute nicht drin, also quälte ich mich aus dem Bett und setzte mich völlig verschlafen an den Küchentisch.
Es roch nach frisch gebrautem Matetee, den meine Mutter erst kürzlich wieder entdeckt hatte. Anfang der Neunziger war Matetee der Renner gewesen, weil er angeblich entschlackte und einen dünn werden ließ.
Sie stellte mir eine Tasse hin, und ich nippte aus Anstand kurz daran, obwohl ich die bittere Brühe widerlich fand und mich nach schwarzem Kaffee sehnte. Aber heute verzichtete ich lieber auf meine Ration, denn meine Mutter würde mir wieder erklären, wie ungesund und schädlich Kaffee sei, und mir sagen, dass ich, wenn schon, Tee trinken solle.
»Wo ist denn Papa?«, fragte ich nach.
Meine Mutter holte selbst gebackene Dinkelbrötchen aus dem Ofen.
»Der ist heute ganz früh weg. Sein Kurs wollte den Sonnenaufgang mitnehmen.«
Das stellte ich mir lustig vor. Mein Vater hasste früh aufstehen, und wenn er verkatert war, hatte er extrem schlechte Laune.
Eigentlich hatte ich gar keinen Hunger, das Essen vom Vorabend war so viel gewesen, dass mein Magen noch voll war. Trotzdem nahm ich mir ein Brötchen, wenn meine Mutter sich schon so viel Mühe gemacht hatte. Sie nahm es wohlwollend zur Kenntnis und versuchte sofort, in die Verlängerung des Mutter-Tochter-Moments zu gehen.
»Sag, hast du nicht doch Lust, mit auf die Esoterikmesse zu kommen? Sieh dir das doch mal ganz unbefangen an, vielleicht entdeckst du ja sogar etwas Interessantes. Ich würde mich so freuen, und wir könnten etwas Zeit zusammen verbringen. Dein Clemens war ja auch nicht abgeneigt.«
Clemens das Totschlagargument. So viel hatte sie verstanden.
»Mama, sei mir nicht böse, aber ich glaube, mich interessiert das wirklich nicht. Ich würde mich lieber noch einmal hinlegen und ausschlafen. Übrigens, was Clemens angeht: Er ist zwar mein Clemens, aber das ist nicht offiziell. Es darf also keiner wissen, bis wir mit Phosphor die Marktführerschaft gesichert haben, okay?«
Sie seufzte und sah mich enttäuscht an.
»Na gut, ich will dich ja nicht zwingen. Dein Clemens ist übrigens ein äußerst interessanter Charakter, der hat fast mediale Fähigkeiten, würde ich sagen.«
Allerdings! Was Clemens anging, waren wir einer Meinung. Seine Fähigkeiten konnte ich auch nur als medial beschreiben.
»Allerdings …«, fuhr sie zögerlich fort.
Ich sah sie erwartungsvoll an.
»Allerdings solltest du sehr vorsichtig sein, was Clemens betrifft.
Ich habe sofort gespürt, dass er eine ganz besondere Aura hat, und sein Geburtshoroskop war auch sehr ungewöhnlich, so viele Schütze mit Waage/Venus Konstellationen habe ich zuvor nie gesehen. Dazu den Mond in den Fischen, macht ihn zu einem Getriebenen auf der Suche nach etwas, was er wohl sehr schwer oder nie finden wird. Und die Konstellation seiner Sterne bedeutet einen unruhigen, feurigen Jäger, Sammler, Abenteurer mit der Verführungsgabe der Venus und dem übergroßen Einfühlungsvermögen und der Mystik der Fische. Die Mischung macht ihn unwiderstehlich und gefährlich zugleich!«
War das ein Gespräch, das man gern unausgeschlafen zum Frühstück führte? Gut gemeinte und astrologisch fundierte Ratschläge besorgter Mütter?
»Heißt das, du magst ihn nicht?«
Wir sprachen immerhin von ihrem künftigen Schwiegersohn und Vater ihrer Enkel!
»Doch, sehr sogar. Ich glaube auch, dass er aufrichtige Gefühle für dich hat, aber ich weiß nicht, ob er gegen seine Natur ankann.«
Wenn das ihre einzige Sorge war, konnte ich beruhigt sein. Mir war wichtig, dass sie ihn mochte, alles andere würde sich fügen. Ihre Bedenken konnte ich
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