Flaschendrehen: Roman (German Edition)
ist, oder besser, rate, wer als Einziges nicht eingeladen war, aber trotzdem als Erstes auftaucht?!«
Da musste ich nicht raten.
»Diane, ich weiß, und rate mal, wem wir das zu verdanken haben? Meiner Mutter!« Schnell klärte ich Sarah auf, die auch nur verständnislos den Kopf schüttelte.
Nichts wie hoch, bevor Diane meine Freunde wie ihre Zofen behandelte.
Die Begrüßung hätte herzlicher nicht sein können. Entweder hatte Diane bewusstseinsverändernde Drogen geschluckt, oder sie war die geborene Schauspielerin, ich tippte auf Letzteres. Hinter einem Blumenstrauß, der so groß war, dass man wieder Hoffnung für die deutsche Blumenindustrie hegen konnte, strahlte mich eine auffällig gut gelaunte Diane an.
»Für dich! Und vielen Dank für die Einladung, ich bin gerne gekommen!« Sprach’s, streckte mir die Blumen entgegen, überreichte mir zwei Flaschen sehr guten Champagner und ließ ein Kompliment nach dem anderen vom Stapel, angefangen bei meiner entzückenden, geräumigen Wohnung bis hin zu meinem bezaubernden Kleid. Es war gespenstisch, erst recht, als Rudi mir zuzwinkerte, Diane einen anerkennenden Blick zuwarf und mir zuflüsterte: »Heißer Feger, diese Diane.«
Sarah übernahm es, Rudi in die Mangel zu nehmen und ihm klar zu machen, dass er heute Abend mit allen Mädchen spielen durfte – nur nicht mit Diane! Auf Rudis Frage, was Diane uns eigentlich getan hätte, antwortete ich nur kurz, »frage lieber, was sie uns nicht getan hat«.
Falls Diane je verletzt gewesen sein sollte, dass sie nicht eingeladen war, so tarnte sie das zu gut. Mir war ihr Verhalten zwar völlig fremd, wenn mich jemand nicht haben wollte, wollte ich erst recht nicht hin, aber Diane verstehen zu wollen, hatte ich mir bereits abgewöhnt. Man lebte mit ihr wie mit einer lästigen Allergie, die immer da war, mal schlimmer, mal weniger schlimm. Diane machte sich mit jedem bekannt, Rudi schien es ihr besonders angetan zu haben, zumindest schenkte sie ihm eines ihrer seltenen Frontal-rundum-Lächeln, die sie sonst für Clemens aufsparte, und fragte, ich hörte es mit eigenen Ohren und vor Zeugen, ob sie etwas helfen könne! Dumm nur, dass Rudi solche Fragen immer ernst nahm und nicht wie von Diane beabsichtigt als rhetorische Frage. Dankbar streckte er ihr die leeren Eiswürfelmacher entgegen und bat sie, neue Eiswürfel zu machen.
Ich hielt den Atem an, spätestens jetzt würde die Fassade der barmherzigen Diane bröckeln, aber nein, ohne auch nur das leiseste Zucken oder Anzeichen eines Murrens ging Diane, das liebe Kind, geschwind in die Küche und fabrizierte Eiswürfel, als ob sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht hätte, Rudis anerkennenden Blick im Nacken.
Inzwischen trudelten die anderen Gäste ein, die Klingel stand überhaupt nicht mehr still, und ich war damit beschäftigt, Freunde, Kollegen und ein wildfremdes Mädchen einzulassen, das sich auf Rudi berief und nur schnell fragte, ob ich die Schwester sei, der die Wohnung gehöre. Die Party war in vollem Gange, die Stimmung heiter und ausgelassen, als Michi gegen elf ankam. Sie musste ihren Auftritt genau geplant haben, nicht zu früh, damit ausreichend Zeugen anwesend waren, und nicht zu spät, weil sonst eventuell alle schon wieder im Bett waren.
»Wer ist das denn?« Rudi stieß mich ungläubig in die Seite und deutete auf Michi. Michi hatte sich nicht nur ins Zeug gelegt, sie hatte einfach alles gegeben, was nicht unbedingt Gutes bewirkte. Michi war als Pfau gekommen oder Paradiesvogel, wie sie mich gleich aufklärte, im Schlepptau ihre Freundin, die sie in allen Modefragen neuerdings zu beraten schien und das Kostüm auf dem Gewissen hatte. Sie stellte mir ihre persönliche Designerin als Anna vor, die ungefragt erklärte, Michi sei ihre Muse. Michi die Muse kicherte stolz und verlegen und wehrte fuchtelnd mit ihren Federflügelarmen ab. Man muss sich ihren Aufzug folgendermaßen vorstellen: Auf dem Kopf trug sie eine Art schwarzes Diadem aus Federn, nur eine große Pfauenfeder ragte seitlich aus dem Haar in Anlehnung an die dreißiger Jahre. Am Körper trug Michi einen dunkelgrünen glitzernden Ballettanzug mit langen Armen und Beinen, über dem Anzug ein fluoreszierendes kurzes Kleidchen mit dunkelblauem und lila Muster. Das Röckchen, eine Art Tutu, bestand aus seitlich abstehenden künstlichen Pfauenfedern, ihre Augen waren mit allen schillernden Farben ummalt, falsche Wimpern inklusive. Liza Minelli nach einem verunglückten Abschminkversuch sah
Weitere Kostenlose Bücher