Flaschendrehen: Roman (German Edition)
erblindete. Früher gab es die auf jeder Party, damit auch die schwer vermittelbaren Jungs ein Mädchen abbekamen, ich erinnerte mich aber vor allem an die Nebenwirkungen, die diese Schälchen mit sich brachten, nämlich dass man morgens um vier ein buntes Allerlei an Erbrochenem wegwischen durfte und Krankenwagen für junge Mädchen bestellen musste, die nur »Nachtisch« gegessen hatten.
Stolz hielt Rudi mir eine Schale Wabbelpudding hin.
»Hab ich selbst gemacht, probier mal!«
Mein warnender Blick schien nicht auszureichen.
»Pack die Dinger sofort wieder ein, oder kipp das ins Klo. Die Zeiten sind vorbei, du Kindskopf!«
Wieso nur hatte ich manchmal das Gefühl, die ältere und nicht die jüngere Schwester zu sein?
Rudi packte beleidigt seine »Mädchenfallen« wieder ein und murmelte vor sich hin, dass ich echt spießig geworden sei.
»Falsch, Rudi, ich bin nicht spießig geworden, ich war schon immer spießig, und eigentlich solltest du wissen, dass du mich damit nicht beleidigen kannst!« Ich musste lachen.
Alles in allem, mit Musik aufbauen, Geschirr aufstellen und Dekorieren, dauerten die Vorbereitungen länger, als wir gedacht hatten. Es war schon neun, und ich musste mich dringend umziehen, schließlich hatte ich mein sexy kurzes Spaghettikleidchen bestimmt nicht umsonst gekauft. Mein Handy klingelte, als ich gerade bei Leila unten im Bad stand, wo ich mich umzog und schminkte. Sarah hatte uns allen verboten, in meiner sauberen, von ihr abgenommenen Wohnung irgendetwas zu benutzen oder anzufassen, bis die Gäste kamen.
Meine Mutter mit ihrem untrüglichen Gefühl, im passenden Moment anzurufen, war am anderen Ende.
Sie hatte ein schlechtes Gewissen, das konnte ich schon beim »Hallo Gretchen« heraushören.
Die Zeit drängte, wir hatten definitiv keine Zeit für ein langes Vorgeplänkel.
»Spuck aus, Mama, was ist los? Du hast doch was, oder?«
Sie druckste erst ein wenig herum, dass es ihr ja so Leid tun würde und sie es bestimmt nicht mit Absicht gemacht hätte, es sei ihr eben so rausgerutscht, und ich müsse ihr versprechen, nicht böse zu sein, dafür hätte ich im Gegenzug bei ihr etwas gut.
»Ja, was denn? Mama, red bitte nicht um den heißen Brei rum, wie du weißt, mach ich ’ne Party, und die Gäste sind gleich da!«, sagte ich ungeduldig, nebenbei trug ich Lipgloss auf.
»Ähem. Mit deiner Party hat es im weitesten Sinne zu tun. Diane rief mich vorhin wegen einer Frage zu ihrem Wochenhoroskop an. Wir plauderten, und am Ende wünschte ich ihr viel Spaß auf deinem Fest heute Abend. Ich wusste ja nicht, dass sie nicht eingeladen ist, du sagtest, die ganze Redaktion würde kommen. Sie war furchtbar verletzt und getroffen, dass sie als Einzige nicht eingeladen ist, und da habe ich ihr gesagt, dass du es nur vergessen hast und sie ganz bestimmt auch eingeladen ist.«
Stille! Mir fiel vor Wut der Gloss aus der Hand.
»Du hast bitte was getan?«, rief ich außer mir. Ich wollte nicht altklug klingen und sagen »Siehst du, ich hab’s gleich gewusst! Finger weg!«, aber das, genau das war der Grund, weshalb es absolut falsch und nicht wünschenswert war, wenn die Eltern sich mit dem Freundes- oder noch schlimmer Feindeskreis ihrer Kinder anfreundeten und versuchten, darin herumzupfuschen. Sie sollten eben einfach mit ihresgleichen spielen, sonst gab es nur Ärger. Quod erat demonstrandum!
»Diane ist bei mir ungefähr so willkommen wie Saddam Hussein bei Dick Cheney zu Heiligabend. Wenn du sie aus mir völlig unverständlichen Gründen magst, ist das deine Sache, auch wenn ich dir vorwerfen könnte, mich verraten zu fühlen als deine Tochter, die unter Dianes selbstgefälliger Art täglich leiden muss, aber dass du mir sie auf den Hals hetzt, und das auch noch in meiner eigenen Wohnung, geht zu weit. Hör bitte endlich auf, dich überall einzumischen und Frieden stiften zu wollen!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, legte ich auf. Das war unglaublich! Konnte man nur hoffen, dass Diane sich zu schade war, auf einer Party aufzukreuzen, zu der sie offensichtlich nicht eingeladen war, auch wenn meine Mutter in letzter Minute das Gegenteil behauptet hatte. Ihre Abneigung mir, Sarah und allen anderen aus der Redaktion gegenüber sollte ausreichen, damit sie sich fern hielt.
Sollte man zumindest meinen!
Sarah klopfte wie wild gegen die Badezimmertür.
Ich öffnete und ahnte nichts Gutes, Sarahs hochroter Kopf war ein deutliches Zeichen.
»Rate mal, wer gerade als erster Gast aufgetaucht
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