Flaschendrehen: Roman (German Edition)
die sich gerade einen Drink holen wollte und die Situation messerscharf erkannt hatte, tätschelte mir belustigt die Schulter. Wie war das noch, viel Feind, viel Ehr? Ich versuchte, mich aufzuheitern, denn die Idee, dass künftig Diane nicht nur meine Mutter, sondern auch noch meinen Freundeskreis belagerte, ließ mir eiskalte Schauer den Rücken hinunterlaufen. Was wollte sie eigentlich von mir und meinen Freunden, meiner Familie und meinen Feinden? Hatte sie keine eigenen, mit denen sie spielen konnte? Fehlte nur, dass Rudi, der sie offensichtlich rattenscharf fand, sie zur ersten festen Dauerfreundin seines Lebens machte.
Ben, der in der neuen Frauenfreundschaft fehl am Platz war, kam zu mir und fragte sichtlich irritiert: »Wer ist denn diese grausame Diane? Die geht ja überhaupt nicht. Ich glaube, ich hab noch nie eine so affektierte, künstliche Frau getroffen, und das will was heißen.«
Keine Ahnung, worauf er anspielen wollte, denn dass Ben in seinem Uni-Umfeld nicht auf die Art von Frauen wie Diane traf, war klar. Auf alle Fälle fand er sie schrecklich, und das sprach für ihn. Dankbar lächelte ich ihm zu und drückte ihm ein Glas Punsch in die Hand.
Wo blieb nur Clemens? Nicht, dass ich mich an ihm in aller Öffentlichkeit hätte anlehnen können, aber allein seine Gegenwart würde alles leichter machen.
Jemand gab mir Zeichen, dass es geklingelt hatte, also nichts wie hin, vielleicht war er das ja. Erwartungsvoll wartete ich, wer da die Treppen hochkam. Wenn es Clemens sein sollte, konnten wir uns vielleicht heimlich vor der Tür im dunklen Treppenhaus küssen.
»Hallo?«, rief ich hoffnungsvoll ins Treppenhaus.
»Huhu, winki, winki«, tönte ein Chor zurück.
Bevor ich mir überlegen konnte, wer das wohl war, bogen drei Gestalten um die Ecke, und ich schwor gleichzeitig dem Alkohol für immer ab, denn was ich sah, musste eine Halluzination sein.
Vor mir standen drei winkende Teletubbies und kicherten.
»Bist du Gretchen?«, quietschte ein gelber. »Ich bin Lala!« Kicher, kicher.
Ungläubig nickte ich.
»Wir sind Freundinnen von Rudi, er hat uns eingeladen. So eine Kostümparty ist echt super.«
Rudi! Okay, die gute Nachricht war, ich konnte getrost weitertrinken, denn unter Halluzinationen litt ich offensichtlich nicht. Die schlechte Nachricht war, dass mein Bruder völlig durchgeknallt zu sein schien.
Ich bat die Teletubbies einen Moment vor der Tür zu warten und suchte Rudi, den ich natürlich mit Diane flirtend auf dem Balkon fand.
Ohne Diane zu beachten, zog ich Rudi hinter mir her.
»Kommst du mal bitte mit? Vor der Tür stehen drei Teletubbies, die von dir zu meiner Kostümparty eingeladen wurden. Spinnst du jetzt völlig?«
Rudi lachte lauthals los.
»Super Idee, oder? Das wollte ich schon immer mal machen!«
Es stellte sich heraus, dass Rudi, seit ich ihn vor Jahren in Bridget Jones mitgeschleppt hatte, die Szene, als Bridget, ihr Vater und ihr Onkel als Einzige kostümiert auf einer Party auftauchten, weil man vergessen hatte, ihnen Bescheid zu geben, dass doch keine Kostüme gewünscht waren, so lustig fand, dass er das immer mal live selbst miterleben wollte. So hatte er mehreren Leuten Bescheid gesagt, dass es sich um eine Kostümparty handeln würde, um diesen Peinlichkeitseffekt nachzustellen. Nett, dass er das ausgerechnet auf meiner Party machte, noch netter, dass er mir nichts davon gesagt hatte, und am allernettesten, sich ausgerechnet ein so bescheuertes Thema wie Teletubbies auszudenken.
»Wie kommt man denn auf Teletubbies als Motto?«, fragte ich entgeistert.
Rudi kriegte sich immer noch nicht ein vor Lachen.
»Super, oder? Warte mal ab, ich hab zwei weitere Themen angegeben, da müssten bald noch ein paar Verkleidete mehr auftauchen.«
Ja, total super! Ich konnte es kaum abwarten. Jetzt verstand ich auch, was er vorhin gemeint hatte, als er Michis Paradiesvogel-Aufzug kommentiert und mir beruhigend versichert hatte, sie würde den Abend über nicht allein bleiben.
»Würdest du dann bitte so nett sein und dich um deine Tinki-winki-Gäste kümmern? Sie warten noch völlig ahnungslos vor der Tür.« Rudi sollte schön selbst erklären, dass so ein »bisschä Witzischkeit« eben alle Mittel rechtfertigte.
Da sich meine Halluzinationen aufgeklärt hatten, trank ich noch zwei, drei Drinks, achtete aber darauf, immer schön Häppchen als Grundlage dazwischen zu essen und genug Wasser zu trinken, schließlich musste ich fit genug bleiben, um Brandlöcher auf
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