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Verfügung gestanden. Ich konnte es ihnen bisher nicht sagen«, Mwandala zögerte einen Augenblick, »in ihrem Herzen brannte so starke Hoffnung.«
55
Es war bereits spät am Abend, als Joshua noch einmal zu seinen Eltern fuhr. Frau Grunert, die Nachtschwester, fand keine Erklärung dafür, aber Jacks Kreislauf stabilisierte sich, wenn auch nur langsam. Doktor Mwandala hatte die gute Nachricht genutzt, um seinen Dienst zu beenden. Er versprach Joshua, am Morgen in aller Frühe wieder in der Klinik zu sein. Janine hatte ihn unterwegs angerufen und mitgeteilt, sie würde noch zu seinen Eltern fahren. Ihrer Schwiegermutter fehlte es an Lampen und Verlängerungskabeln. Joshua dachte an Markus Feldmann, den Mann, dem er die Suspendierung verdankte. Er wunderte sich, dass keine Wut in ihm aufkommen wollte. Die Euphorie war stärker. Kurz vor dem drohenden Funkloch auf dem elterlichen Hof rief er Kalle zu Hause an.
Er erzählte ihm von dem Serum und Doktor Mwandala, dem er unendlich dankbar war. Es hörte sich beinahe so an, als würde Jack am nächsten Tag seinen Dienst aufnehmen.
»Das sind ja prima Nachrichten. Den Rest biegen wir schon irgendwie hin.«
Kalle verschwieg ihm die Ablehnung eines Amtshilfegesuchs durch die argentinischen Behörden mit Hinweis auf das fehlende Auslieferungsabkommen. Er vermied es ebenfalls, Joshuas gute Laune mit dem Hinweis auf Schorndorf zugrunde zu richten, der im Begriff war, ein Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten.
Auf dem Hof wunderte Joshua sich über den Mercedes einer Autovermietung. Aus dem Wohnzimmer schlug ihm Gelächter entgegen. Joshua überlegte, sich eine Flasche Bier aus der Küche mitzunehmen, wollte aber erst alle begrüßen. Im Türrahmen sah er Janine. Sie begrüßte ihn mit einem Glas Rotwein in der Hand.
»Da kommt ja mein Fahrer«, ihre Stimme hatte nicht mehr die gewohnte Melodie. Während Joshua sich im Geiste von dem kalten Gerstensaft verabschiedete, erblickte er neben seinem Vater Thomas Stachinsky. Heute Morgen hatte er seinen Sohn beerdigt. Joshuas Vater war der einzige Trauergast gewesen. Stachinsky schien mit der Vergangenheit abgeschlossen zu haben.
»Oh, da kommt die Polizei«, rief er so fröhlich, wie Joshua ihn noch nie erlebt hatte. Jetzt bemerkte sein Vater ihn. Grinsend drehte er sich herum.
»Das Eine sage ich dir. Solltest du meinen Gast schon wieder verhaften, erhältst du Hausverbot.«
»Das habe ich nicht vor.«
Joshua setzte sich neben seinen Vater. Wie sich herausstellte, hatte Janine bereits alles erzählt. Thomas Stachinsky schien zur Familie zu gehören. Joshua beschlich ein komisches Gefühl bei dem Gedanken, dass der ehemals verdächtige Stachinsky bei dem Gespräch zugegen war. Janine deutete eine entschuldigende Geste an. Joshua winkte lässig ab. Allmählich wich die verfrühte Euphorie um Jacks Genesung. Wie ein Gespenst drang urplötzlich die Vision in sein Bewusstsein, demnächst ohne Arbeit zu sein. Nicht nur das. Er würde mit Schimpf und Schande aus dem Polizeidienst entfernt werden. All die Verdienste, sie waren von gestern, interessierten schon morgen niemanden mehr. Er fragte sich, in welchem Beruf er noch glücklich werden könnte. Ob er überhaupt mit 39 Jahren noch den Beruf wechseln könnte. Dabei ist eigentlich alles gut gegangen für Jack. Wie würde er damit umgehen? Sobald er raus ist, machen wir eine Riesensause, nur wir zwei, schwor sich Joshua.
»Hey, ich rede mit dir«, sein Vater stieß Joshua in die Seite.
»Entschuldigung, was hast du gesagt?«
»Ich habe gesagt, Thomas kann dir vielleicht helfen. Obwohl, verdient hast du es ja nicht.«
Joshua legte die Stirn in Falten. Sie duzten sich.
»Du hast mehr Glück als Verstand, Junge. Thomas hat sehr viel Einfluss in Buenos Aires«, Stachinsky drehte bei Gunther Trempes Worten die offene Hand im Kreis, »nun ja, er kennt zumindest einflussreiche Leute in der Stadt.«
Joshua beugte sich vor, sah zu Stachinsky.
»In Argentinien läuft sehr viel über, sagen wir mal, Zuwendungen. Ich konnte mir erlauben, in der Vergangenheit großzügig damit umzugehen.«
Joshua winkte ab. Er hielt es für Angeberei. Der Einfluss eines untergetauchten Bankräubers konnte nach seiner Meinung nicht sehr groß sein, was er Stachinsky auch unverblümt mitteilte.
»Wenn Sie sich da mal nicht täuschen. In Buenos Aires wird vieles lockerer gehandhabt als hier. Gesetze sind dort nicht mehr als Rahmenbedingungen. Kennt man die richtigen
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