Flatline
Welt verfolgen, so lange, bis ich dich habe, verstanden?«
»Keine Sorge, und danke schön.«
»Verschwinde aus meinem Blickfeld!«
Karin sagte kein Wort. Seit Minuten sah sie aus dem Seitenfenster. Joshua schmerzte diese Ruhe, er hielt es nicht mehr aus.
»Mensch, was hätte ich denn machen sollen?«
Mit unerwartet ruhiger Stimme antwortete sie.
»Joshua, ich verstehe deine Sorge um Jack. Ich mag ihn genauso. Aber diese Sorge hat dich blind gemacht. Glaubst du im Ernst, Feldmann gibt dir freiwillig eine Formel, die Millionen wert ist?«
»Wenn er sie verkauft, kriege ich ihn.«
»In Argentinien? Joshua, komm zu dir.«
Schorndorf empfing sie freudestrahlend in ihrem Büro.
»Da sind ja meine Helden. In einer halben Stunde ist Pressekonferenz. Ich habe bereits eine Voraberklärung an die Medien herausgegeben. Natürlich mit dem offiziellen Wortlaut »dringend tatverdächtig«, aber ich denke, da bestehen keinerlei Zweifel.«
Beim Anblick von Karin und Joshua verstummte Schorndorf.
»Ist irgendwas?«
»Ich habe …«, Karin boxte ihrem Kollegen in die Seite. »Er ist uns abgehauen. Wir standen an einer Ampel, da …«
»Ich habe Herrn Feldmann zum Flughafen gebracht«, fuhr Joshua seiner Kollegin ins Wort, »als Gegenleistung bekomme ich einen Impfstoff, mit dem unserem Kollegen Holsten möglicherweise das Leben gerettet werden kann. Frau Seitz war nicht damit einverstanden. Ich habe sie gezwungen mitzumachen.«
Schorndorf schluckte. Mit einer Hand hielt er sich am Schreibtisch fest. Karin senkte den Blick. Daniel wirkte schockiert.
»Das wird ein Nachspiel haben«, mit bebender Stimme sprach Schorndorf auf Joshua ein, »Ihren Dienstausweis und Ihre Waffe. Sie sind mit sofortiger Wirkung suspendiert.«
Joshua erfüllte die Forderung und verließ wortlos das Büro.
Er parkte den Golf auf dem Bürgersteig neben dem Eingang. Auf dem Weg zur Intensivstation überprüfte er noch einmal, ob sein Handy eingeschaltet war.
»Das müssen Sie in der Intensivstation abschalten«, die Stimme kam ihm vertraut vor.
»Ich erwarte einen sehr wichtigen Anruf, Doktor Mwandala.«
»Geben Sie mir das Handy, ich passe drauf auf, solange Sie bei Ihrem Freund sind.«
Corinna sah erleichtert auf. Ein hauchdünnes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Joshua drückte sie, strich über ihr Haar.
»Es wird alles gut«, flüsterte er leise in ihr Ohr.
»Was sagst du da?«
»Jack muss noch ein wenig durchhalten. Wir bekommen den Impfstoff. Dann wird er wieder gesund.«
Corinna sah ihn an wie ein kleines Kind, dem die Oma ein Märchen erzählt.
»Vertraue mir.«
Joshua hielt Jacks Hand. Sie war spindeldürr. Er betrachtete den kleinen Kasten schräg hinter dem Bett. Über den grünen Monitor wanderten kleine, spitze Berge. Hoffentlich ist die Flatline noch weit weg, dachte er ängstlich. Nach zehn Minuten verabschiedete er sich. Er hatte keine Ruhe, wollte das Handy bei sich haben. Ein Blick auf die Uhr, Feldmann müsste unterwegs nach Brüssel sein.
Auf dem Weg nach draußen klingelte das Handy. Joshua hielt es die ganze Zeit in der Hand. Überhastet nahm er das Gespräch an. Es war Kalle.
»Feldmann sitzt im Flieger. Er reist unter dem Namen Vincent Gernot. Der Anschlussflug nach Buenos Aires startet in 45 Minuten ab Brüssel.«
»Woher habt ihr den Namen?«
»Die Kollegen haben seinen Firmencomputer zerlegt. Der hat so viele Identitäten, für den würde sich ein eigenes Telefonbuch lohnen.«
»Danke.«
»Keine Ursache. War ein Auftrag vom Chef. Wir sollten alle Passagierlisten überprüfen.«
Joshua erschrak. Sie werden Feldmann in Brüssel abfangen. Der ›worst case‹. Sollten sie ihn verhaften, wäre Jack verloren. Doch dann hörte er Kalle lachen.
»Keine Sorge. Wir haben Schorndorf wahrheitsgemäß mitgeteilt, dass sich kein Passagier mit dem Namen Markus Feldmann auf diesen Listen befindet.«
»Das hat er geschluckt?«
»Nicht nur das. Er hatte die geniale Idee, Feldmann könne womöglich unter falschem Namen reisen. Wir überprüfen das gerade. Bleibt allerdings nicht mehr viel Zeit bis zum Feierabend. Karin und Daniel sind schon abgehauen. Geht doch nichts über einen Chef, der die Berichte nicht liest.«
Joshua spürte Erleichterung in sich aufsteigen.
»Was ist mit Pille?«
»Tja, das war nicht so leicht. Karin hat ihm zu verstehen gegeben, dass keiner mehr mit ihm spielt, wenn er nicht mitzieht. Ich glaube, er hält sich zumindest raus.«
»Danke, Kalle.«
»Schon gut«, seine
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