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haben.«
»Woher wollen Sie das wissen. Nach unseren Informationen leben Sie in Argentinien?«
Stachinsky schüttelte vehement den Kopf und wandte sich einen kurzen Augenblick ab.
»Er hat recht«, flüsterte Rebecca, »Markus hatte mit Drogen wirklich nichts am Hut.«
Joshua wurde ungeduldig. Er griff erneut nach seinem Tabak. Das Problem war, dass sie alle drei derselben Meinung waren, diese Einigkeit ihn aber keinen Deut weiterbrachte. Er konfrontierte sie mit den Fakten, ohne große Hoffnung.
»Markus Stachinskys Körper war voll mit Heroin. Er muss die Droge über einen längeren Zeitraum zu sich genommen haben. An dem Spritzbesteck fanden unsere Leute ausschließlich seine Fingerabdrücke.«
Stachinsky warf ihm einen missbilligenden Blick zu. Seine Augen fragten Joshua, warum er so naiv sei.
»Warum wollten Sie sich dann mit mir treffen, wenn der Fall klar ist?« Rebecca entwaffnete den Hauptkommissar mit einer einzigen Frage. Einer Frage, die er sich kurz vor dem Telefonat mit der Studentin selbst gestellt hatte. Welchen Sinn sollte die Ermittlung noch haben? Er hatte früher auch erlebt, dass Eltern und Freunde aus allen Wolken fielen, wenn sie von der Drogensucht hörten. Junge Menschen wurden von ihren Eltern vermisst gemeldet und waren in dreckigen Toiletten gefunden worden. Er suchte nach einer Antwort. Für Rebecca und für sich selbst. Stachinsky drehte sich um und ging wortlos. Joshua hob reflexartig seinen Arm und ließ ihn sofort resigniert sinken. Rebecca setzte sich auf die Bank und begrub ihren Kopf in den Händen. Joshua setzte sich neben sie.
»Ich verstehe das nicht«, sie faltete die Hände vor ihrem Mund und sprach leise weiter, »es ist so, als hätte ihn jemand mitten aus dem Leben gerissen. Er war so fröhlich, so … optimistisch.«
»Wie gut kannten Sie ihn?«
»Wir waren befreundet. Abends haben wir oft zusammengesessen und über Gott und die Welt philosophiert. Er konnte so gut zuhören.«
Joshua bemerkte ihre Gänsehaut. Sie standen auf und schlenderten durch die Grünanlagen der Universität. An einer Weggabelung blieb sie unvermittelt stehen. Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und sah ihn ernst an.
»Sie halten mich für unglaublich naiv, stimmts?«
»Nein«, Joshua meinte es ernst. Er glaubte ihr. Das Gespräch mit Kalle fiel ihm ein. Ihr Fall war ähnlich zweifelhaft.
»Sagt Ihnen der Name Patrick Schönfeld etwas?«
»Ja. Er ist in unserem Semester, wohnt allerdings bei den Eltern in Krefeld. Ich habe ihn aber schon länger nicht mehr gesehen. Was ist mit ihm?«
Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Opfer. Joshua drückte sich um die Antwort. Sein Schweigen machte sie nervös.
»Sagen Sie jetzt nicht …«
Joshua nickte stumm. Rebecca atmete schwerfällig, ihre Augenlider zitterten hektisch. Einzelne Schneeflocken tanzten scheinbar schwerelos in der Luft. Sie warf ihren Kopf in den Nacken und verschloss die Augen. Dabei atmete sie tief ein und drückte ihr Kreuz durch. Als sie ihre Augen wieder öffnete, schoss der gestreckte Zeigefinger ihrer rechten Hand in die Höhe, sie öffnete den Mund und schloss ihn sogleich wieder. Joshua verstand das Zeichen.
»Bitte, wenn Sie irgendetwas wissen, sagen Sie es mir. Auch wenn es nur eine Ahnung ist. Alles kann wichtig sein.«
Ihr Gesichtsausdruck entspannte sich leicht. Sie presste die Lippen aufeinander und beschrieb mit ihrem Kopf langsam eine kreisende Bewegung.
»Na ja, manche meiner Kommilitonen verdienen sich als Probanden Geld dazu. Markus nahm neuerdings auch an solchen Versuchen teil, allerdings mehr aus Neugierde. Für wen wollte er nicht sagen. Es war ihm wohl peinlich. Aber dabei geht es um psychologische Versuche oder Medikamentenverträglichkeitstests. Rauschgift dürfte wohl kaumdarunterfallen.«
Joshua erinnerte sich an seinen Großvater. Die Ärzte hatten ihn mit Morphium vollgespritzt, um sein Krebsleiden einigermaßen erträglich zu halten. Ihm fielen die Zweifel der Gerichtsmediziner ein. Die hohe Anzahl an Hepatitis-Erregern, die bei beiden Opfern festgestellt wurde.
»Wie kam er an diesen Job?«
Zum ersten Mal war der Ansatz eines, wenn auch zynischen Lächelns auf ihrem Gesicht zu erkennen.
»Das ist nicht schwer. Die Anzeigen hängen im Foyer am Schwarzen Brett und stehen auf der Homepage, aber«, Rebecca schluckte, »als wir uns zuletzt unterhielten, hatte er Angst. Er sagte, er dürfe nicht darüber reden. Er wollte noch einmal dorthin und mir danach alles
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